Auf Internetseiten rechtskonservativer Katholiken tauchte Anfang der Woche erneut ein Hinweis zur Debatte um das päpstliche Lehrschreiben "Amoris laetitia" auf. Im Amtsblatt des Apostolischen Stuhls, den "Acta Apostolicae Sedis" (AAS), solle ein Brief des Papstes veröffentlicht werden, der eine "liberale" Auslegung von "Amoris laetitia" hinsichtlich der Kommunionzulassung für wiederverheiratete Geschiedene gutheiße. Dadurch werde diese Auslegung Teil des päpstlichen Lehramtes. Eine weitere Zementierung angeblicher Häresie? Um was geht es?
"Amoris laetitia" wurde von Papst Franziskus im April 2016 nach zwei Bischofssynoden zu den Themen Ehe und Familie veröffentlicht. Am 5. September 2016 publizierten die Bischöfe der Seelsorgeregion Buenos Aires eine Orientierungshilfe für ihre Priester. Der Titel "Grundlegende Kriterien für die Anwendung des achten Kapitels aus 'Amoris laetitia'". Das achte Kapitel behandelt vor allem die Seelsorge für Paare in schwierigen Lebenslagen.
"Sinn vollauf erfasst"
Ebenfalls am 5. September schrieb Franziskus dem zuständigen Bischof Sergio Alfredo Fenoy und lobte das Werk. Er finde in der Handreichung den Sinn seines umstrittenen Kapitels von "Amoris laetitia" vollauf erfasst, wo es um das "Begleiten, Unterscheiden und Integrieren" in schwierigen Lebenssituationen gehe. "Es gibt keine anderen Interpretationen", schrieb Franziskus kurz und bündig.
Inhaltlich besagt die Orientierungshilfe der argentinischen Bischöfe Folgendes: Kein "unbeschränkter Zugang zu den Sakramenten" für Katholiken in jedweden Lebensumständen; Rücksicht auf Empfindlichkeiten in Pfarrgemeinden; Festhalten an der Lehre der Unauflöslichkeit der Ehe; Ermutigung von wiederverheirateten Geschiedenen zu sexueller Enthaltsamkeit oder einer Teilnahme am kirchlichen Leben ohne Sakramente - und, in Einzelfällen sowie nach einem "Weg der Unterscheidung" zusammen mit einem Geistlichen, die Möglichkeit, die Hilfe der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie zu suchen.
Veröffentlichung in den AAS
Beide Dokumente, die Orientierungshilfe wie das Antwortschreiben des Papstes, finden sich nun in der Online-Ausgabe der "Acta Apostolicae Sedis" vom Oktober 2016. Die gedruckte Ausgabe liegt noch nicht vor. Durch Veröffentlichung in den AAS werden allgemeine kirchliche Gesetze promulgiert, treten also in Kraft. In den AAS stehen aber auch Reden, Briefe oder Berichte über Ereignisse. Je nach Gattung haben die Texte unterschiedliche Bedeutung.
In diesem Fall bemerkenswert ist ein "Reskript aus einer Audienz bei Seiner Heiligkeit", unterzeichnet von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Ein Reskript ist eine Art Verwaltungsakt zur Regelung von Rechtsfragen in Einzelfällen. In diesem Fall habe der "Papst entschieden, dass die vorstehenden beiden Dokumente durch Veröffentlichung auf der vatikanischen Website und den 'Acta Apostolicae Sedis' promulgiert werden als authentisches Lehramt".
Datum lässt stutzen
Der Leser stolpert allerdings über das Datum des Reskripts von Kardinal Parolin: 5. Juni 2017 (!) - und das in den Akten vom Oktober 2016? Das ist jedoch nicht ungewöhnlich. Die Erstellung der AAS zieht sich über Monate hin; Texte müssen mehrfach kontrolliert, zum Teil übersetzt werden. Und so kommt es vor, dass die gedruckten Akten des Jahres 2016 erst Anfang 2018 erscheinen. In der Zwischenzeit können in der Online-Ausgabe Ergänzungen vorgenommen werden. Die beiden Dokumente stammen von Anfang September 2016, werden in die Akten vom Oktober 2016 aufgenommen und vor Drucklegung um das Reskript vom Juni 2017 ergänzt.
Damit ist klar: Der Papst versteht die argentinische Orientierungshilfe und seinen damals wohl niedriger aufgehängten Brief dazu als Teil seines Lehramtes. Das späte Reskript vom Juni 2017 ist wohl auch ein Ergebnis der heftigen Debatte, in der das eigentliche Anliegen des Papstes bereits dutzendfach von Theologen erklärt worden ist.
Das argentinische Schreiben ist, auch in Verbindung mit den beiden nun amtlichen Bestätigungen, weder ein Gesetzestext noch eine kasuistische Gebrauchsanweisung. Es beschreibt Voraussetzungen, Einstellungen, Anliegen und mögliche Vorgehensweisen für Seelsorger, die Ehepaare in komplexen, schwierigen Lebensphasen begleiten. Das ist ein offener Prozess, eine wichtige und schwierige Aufgabe, wie Franziskus immer wieder betont.