Prior von Taizé zum Europäischen Jugendtreffen in Basel

"Wer glaubt, betritt Neuland"

Über Silvester werden in Basel mehr als 15.000 Christen zum Europäischen Jugendtreffen erwartet. Worum es bei dem Treffen im Dreiländereck von Schweiz, Frankreich und Deutschland gehen wird, erklärt Frère Alois im Interview.

Frère Alois, Prior von Taize, mit einem Flüchtlingskind während des Europäischen Jugendtreffens der Taize-Gemeinschaft in Riga / © Christoph Koitka (KNA)
Frère Alois, Prior von Taize, mit einem Flüchtlingskind während des Europäischen Jugendtreffens der Taize-Gemeinschaft in Riga / © Christoph Koitka ( KNA )

KNA: Frère Alois, Nationalismus, Brexit, Flüchtlingskrise und vielerorts Jugendarbeitslosigkeit. Wohin steuert Europa? Und welche Impulse kann und will Ihr Europäisches Jugendtreffen hier geben?

Frère Alois (Prior der Taizé-Gemeinschaft): Ich sehe zwei gegensätzliche Bewegungen: Einerseits ziehen sich viele in den eigenen Bereich zurück und suchen Sicherheit durch Abschottung. Andererseits wächst gerade bei jungen Menschen die Begeisterung für Europa. Sie lernen ganz selbstverständlich andere Sprachen, sie reisen und studieren in verschiedenen Ländern. Dass es trotz der Krisenstimmung eine solche Offenheit gibt, auch das wollen wir zum Jahreswechsel in Basel deutlich machen.

KNA: Was erhoffen Sie sich konkret vom Jugendtreffen zum Jahreswechsel im Dreiländereck zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz?

Frère Alois: Jugendliche sollen erleben, dass es in Europa Regionen gibt, in denen die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg bereits selbstverständlich geworden ist. Und dies wird weitergehen. Wir wollen dazu ermutigen, auch die positiven Entwicklungen in unserer Gesellschaft zu sehen und diese voranzutreiben.

KNA: Welche Rolle spielen Religion und Spiritualität heute noch?

Frère Alois: Eine ganz entscheidende Rolle! Ich vermute sogar, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen einerseits der Europamüdigkeit und der schwindenden Begeisterung für die europäische Idee sowie andererseits der Müdigkeit und der Verdunstung des Glaubens in weiten Teilen Europas. Wir tragen in der Kirche die Verantwortung dafür, junge Menschen den Glauben neu, tiefer und persönlicher entdecken zu lassen. Glauben hat immer etwas damit zu tun, Grenzen zu überschreiten und Neuland zu betreten. Wer das entdeckt, der wird sich auch stärker für Europa engagieren.

KNA: Seit den kleinen Anfängen in den 1940er Jahren ist Taize zu einem spirituellen Zentrum geworden, in das jährlich Tausende Menschen pilgern. Wie wollen Sie Ihre Angebote dort weiterentwickeln?

Frère Alois: Es gibt immer neue Herausforderungen. Eine davon ist die Migration - die vielen Menschen, die nach Europa kommen. Wir haben in Taize Flüchtlinge aufgenommen und die Erfahrung gemacht, dass uns dies als Gemeinschaft einen neuen Schwung verliehen hat. Darüber hinaus ist es für uns auch eine Aufforderung, uns noch stärker dem interreligiösen Dialog zu öffnen. Wir hatten in diesem Jahr zum ersten Mal ein muslimisch-christliches Freundschaftstreffen organisiert, das nächstens Jahr im Juli weitergeht.

KNA: Sie warten aber nicht nur, dass die Welt zu ihnen ins kleine Burgund-Dörfchen kommt, sondern erweitern auch den Radius Ihrer Treffen und Ihrer Gemeinschaft ...

Frère Alois: Die Beziehung zwischen Europa und Afrika muss grundlegend überdacht werden, um zu einer echten Partnerschaft zu gelangen. Das hat einen großen Einfluss auf die Frage der Migration. 2016 haben wir im ostafrikanischen Benin ein Treffen organisiert, zu dem 8.000 Jugendliche aus verschiedenen Ländern Afrikas zusammengekommen waren. Dabei ging es immer wieder um die Frage: "Wie können wir Jugendliche unser Leben selbst in die Hand nehmen anstatt auf Hilfe von außen zu warten?" Diese Frage muss uns auch weiterhin beschäftigen. 2019 werden wir ein ähnliches Treffen in Südafrika vorbereiten. Aber zunächst geht es 2018 nach Hongkong.

KNA: Sie sind bereits viermal von Papst Franziskus zum persönlichen Gespräch eingeladen worden. Was erwartet er sich von Ihrer Gemeinschaft?

Frère Alois: Wir sind sehr dankbar für diese enge Beziehung. Papst Franziskus hat mich jedes Mal sehr herzlich empfangen und seine Hochachtung für Frere Roger, den Gründer der Communaute von Taize, zum Ausdruck gebracht. Er ermutigt uns und sagt immer wieder: "Macht weiter, begleitet die Jugendlichen, seid ihnen nahe!" Auch für unseren ökumenischen Weg, für unsere Suche nach einem Miteinander der Kirchen, ist der Papst eine starke Ermutigung.

Das Interview führte Volker Hasenauer.


Quelle:
KNA