Highlights im Jahr 2017 mit Papst Franziskus

"Er will sich rühren lassen"

Seien es spontane Aktionen in Rom sind, Reisen in politische Konfliktgebiete oder provokante Äußerungen: Papst Franziskus sorgt für Schlagzeilen. So auch im Jahr 2017. Was waren die Highlights?

Papst Franziskus in Bangladesch  / © Aijaz Rahi (dpa)
Papst Franziskus in Bangladesch / © Aijaz Rahi ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wenn Sie auf das Jahr zurückblicken: Was bleibt Ihnen im Kopf?

Jörg Bremer (FAZ-Korrespondent in Rom): Ich denke, es ist genau diese Reise nach Myanmar und Bangladesch, die uns allen in Erinnerung bleiben wird. "Denn wir haben uns alle gefragt: Was macht der Mensch da überhaupt? Was will das katholische Oberhaupt in einem Land, in dem es nur ganz wenige Christen gibt?" Dabei ist uns dann doch wieder klar geworden, dass der Papst einen viel höheren Anspruch hat und sich über diesen Anspruch auch zu demjenigen entwickelt, der weltweit die Bezugsperson geworden ist, wenn es um Menschlichkeit, Barmherzigkeit, Milde, um die Frage der Flüchtlinge und die Sorgen der Armen geht. Ich glaube, das war eine ganz wichtige Reise, die ihn weit über das hinausgeführt hat, was er selbst vermutet hätte. Denn er war doch zu Beginn seines Pontifikats angetreten als jemand, der gar nicht reisen wollte. Auf dem Rückflug aus Asien hat er dann gesagt: "Es war unglaublich, ich habe so viel dazu gelernt, ich möchte auch nach Indien und dieses und jenes noch ansehen." Damit wird er zum direkten Ansprechpartner; man will ihn anfassen, er will angefasst werden – er will sich rühren lassen. Auch wenn er zunächst dieses Wort "Rohingya" nicht aussprach, so war doch immer völlig klar, was er meinte und dass es um die Not dieser Menschen ging.

DOMRADIO.DE: Spannend war es auch im Vatikan selbst: Schlagzeilen hat zum Beispiel die Entlassung von Kardinal Müller als Präfekt der Glaubenskongregation gebracht. Müller hat am Donnerstag erst der "Zeit" gesagt, er möchte nicht zum Gegenspieler des Papstes stilisiert werden. Ein bisschen drängt sich der Eindruck aber doch auf, oder?

Bremer: Ich finde nicht. Wir haben ihn doch ziemlich lang und ausführlich beobachtet über die vergangenen fünf Jahre hinweg. Er ist ja noch unter Benedikt XVI. Chef der Glaubenskongregation geworden. Dann hat ihn sein Nachfolger übernommen. Beide sprechen wunderbar Spanisch miteinander. Er hat sich als Theologe der Armut profiliert. Kardinal Müller hat darüber hinaus immer Positionen vertreten, die man debattieren muss und kann und deswegen hat der Papst wohl erst dann Probleme mit ihm bekommen, als er das Gefühl hatte, dieser Mann sei in seiner Pastoral nicht so offen, wie er es gerne hätte, sondern bleibe zunehmend derjenige, der die Dogmen vertrete. Auf der anderen Seite hat sich aber auch Kardinal Müller deutlich gewandelt. Das zeigt sich etwa an der Frage der Familienpastoral, wo er zusammen mit zum Beispiel Kardinal Kasper und anderen zu demjenigen geworden ist, der sich geöffnet hat. Von daher glaube ich, es ist falsch, ihn als Gegenspieler darzustellen. Ich habe ihn selbst vor wenigen Wochen besprochen: "Ich möchte nicht als Bad Boy dastehen", sagte er. Das sei er auch gar nicht. Er wäre im Übrigen auch völlig töricht, wenn er sich als Gegenspieler darstellen würde. Er möchte eine Rolle im Vatikan spielen und das geht er nur, wenn er bedacht und weise ist und seinen klugen theologischen Verstand einsetzt. Das macht er auch hier und dort. Möglicherweise sagen Kritiker, dass er zu viel rede. Das liegt aber vielleicht auch an uns Pressemenschen, die wir ständig zu ihm gehen und ein Interview mit ihm haben wollen. Ich glaube, der Papst schätzt diesen Mann sehr, aber er möchte jemanden als Chef der Glaubenskongregation haben, der ihm nicht ständig das Licht wegnimmt. Also hat er einen viel stilleren Mann als Nachfolger benannt.

DOMRADIO.DE:  Auch das Verhältnis zu Benedikt XVI. wurde immer wieder diskutiert. Denken wir zurück an den Sommer, als Benedikt in einem Beileidsschreiben zum Tode Kardinal Meisners die Standfestigkeit Meisners in den kirchlich turbulenten Zeiten des 21. Jahrhunderts gewürdigt hat. Ein kirchenpolitisches Erdbeben kann man fast sagen, da sich innerkirchlich zwei Fraktionen gebildet haben: die Fürsprecher von Franziskus und die von Benedikt. Kann man das so einfach runterbrechen? 

Bremer: Nein, das kann man nicht. Zum einen hat Benedikt XVI. von vornherein nach seinem Rücktritt deutlich gemacht, dass er seinem Nachfolger nicht das Licht wegnehmen möchte, sondern in dessen Schatten hinter den Mauern des Vatikans bleiben und dort in Ruhe für die Kirche und das Seelenheil aller beten wolle. Er drängt sich nicht nach vorne. Wenn er sich dann doch äußert, etwa im Fall von Meisner, dann hat das in der Regel eher persönliche Gründe. Wenn man sich die Texte genauer anschaut, sieht man auch, dass er Franziskus zitiert.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 


Dr. Jörg Bremer / © FAZ
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Quelle:
DR