Die Zahl der Organspender in Deutschland ist erneut deutlich gesunken und rutscht in ein Tief, wie zuletzt vor 20 Jahren. Nachdem 2016 noch 834 Menschen gespendet hatten, fiel die Zahl der Spender 2017 auf 769, wie die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag) berichtet.
Sie beruft sich auf den noch unveröffentlichten Jahresbericht der Stiftung Eurotransplant. Der Medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Axel Rahmel, sprach in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" von 797 Spendern. Für Patienten, die auf ein Organ warteten, sei dies "eine dramatische Situation".
Ein kulturelles Problem?
Mehr als 10.000 Menschen warten in Deutschland derzeit auf eine lebensrettende Transplantation. Zudem, so Rahmel, hänge der Erfolg des Organaustauschs "von einem möglichst großen Organpool ab, weil auf diese Weise das Matching zwischen Spender und Empfänger und damit die Ergebnisse der Transplantation verbessert werden".
In Deutschland fehle bislang eine Kultur der Organspende, so der Experte. In anderen Ländern wie etwa Spanien sei es eine Selbstverständlichkeit, dass am Lebensende an Organspende gedacht werde. "Das gilt nicht nur für das Klinikpersonal, sondern für die gesamte Gesellschaft."
Lohnt sich dsas Thema Organspende wirtschaftlich nicht?
Systematische Manipulationen kämen nicht mehr vor, betonte Rahmel. Ab 2012 war es erstmals zu einem deutlichen Rückgang der Organspenderzahl gekommen, nachdem bekanntgeworden war, dass Ärzte an mehreren Transplantationszentren falsche Angaben über ihre Patienten gemacht hatten.
Ein weiteres Problem seien die Ökonomisierung von Kliniken und der Fachkräftemangel, so der DSO-Vorstand. Es könne passieren, dass schlicht "nicht an das Thema Organspende gedacht wird, weil das Fortführen der intensivmedizinischen Maßnahmen natürlich auch immer einen besonderen zusätzlichen Einsatz auf der Station bedeutet". So sei die Organspende "zu abhängig vom persönlichen Engagement einzelner Mitarbeiter", kritisierte Rahmel.
Kritik an Politik
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz beklagte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" ein fehlendes Interesse der Regierungsparteien an der Transplantationsmedizin. "Diese Dramatik kommt in den Sondierungsgesprächen für eine Neuauflage der Großen Koalition mit keinem Wort vor", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.
Die Parteien ließen die Menschen auf der Warteliste für ein Organ allein. Brysch forderte, den Spendermangel zu einem Thema bei den Koalitionsverhandlungen zu machen.