Bundestag berät über Antisemitismus

Gegen Hass und Hetze

Der Bundestag berät am heutigen Donnerstag über die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten. Dazu wollen Union, SPD, Grüne und FDP einen entsprechenden Antrag mit 16 weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus einbringen. 

Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert (dpa)
Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert ( dpa )

Offen sei noch, ob die Stelle des Antisemitismusbeauftragten im Bundeskanzleramt oder in einem Ministerium angesiedelt sein solle.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßte das Vorhaben und bezeichnete es als ersten wichtigen Schritt im Kampf gegen Antisemitismus. Schuster sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), er hoffe, dass der Antrag im Bundestag mit breiter Mehrheit verabschiedet werde. Der Beauftragte solle zudem in regelmäßigem Austausch mit Experten und der Zivilgesellschaft stehen und Ansprechpartner für die jüdische Gemeinschaft sein. 

Einsetzung "überfällig"

Der Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps begrüßte den Antrag auf Anfrage der KNA in einer ersten Stellungnahme. Zugleich betonte er, die Einsetzung eines Antisemitismus-Beauftragten sei "überfällig". 

Schoeps erklärte, aufgrund der aktuellen antisemitischen Vorkommnisse sei die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten "aktueller denn je". Der Schritt hätte aber bereits vor Jahren erfolgen sollen. Er plädierte dafür, für die Stelle einen Juden oder eine Jüdin zu benennen.

"Gut gemeint, aber naiv"

Kritik kam vom deutsch-israelischen Historiker Michael Wolffsohn. Dies sei eine "gut gemeinte, jedoch völlig naive Bürokratenidee".

Er sagte am Donnerstag dem MDR Kultur, er zweifle an der Effektivität einer solchen Institution: "Das traurige Phänomen des Antisemitismus ist 3.000 Jahre alt. Wenn irgendein Politiker meint, er könne ein so tief sitzendes menschheitliches Vorurteil durch die Einsetzung einer zusätzlichen Behörde beseitigen, dann ist das zwar sehr sympathisch, aber eben auch völlig naiv - um nicht zu sagen größenwahnsinnig."

"Kein Zuwanderungsproblem"

Kritik kam auch von der Linken-Abgeordneten Petra Pau. Sie wandte sich dagegen, das Problem allein Zuwanderern zuzuschieben. "Das wird dem Thema überhaupt nicht gerecht", sagte sie der "Berliner Zeitung" (Online-Ausgabe). "Denn die meisten antisemitischen Straftaten werden immer noch von Rechtsextremisten verübt." 

Es könne "nicht um ein Sonderrecht für eine bestimmte Gruppe gehen". Deshalb werde sich die Linksfraktion bei der Abstimmung über den Antrag von Union, SPD, Grünen und FDP enthalten.

Maßnahmen gegen Antisemitismus

Der Antrag, der der KNA vorliegt, beinhaltet neben der Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten 16 weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus.

Dazu zählen etwa die bessere statistische Erfassung antisemitischer Vorfälle, mehr Ansprechpartner für Belange jüdischer Gruppen, die Koordinierung einer ständigen Bund-Länder-Kommission, Überprüfungen des Straf- und Versammlungsrechts, die Strafbarkeit bei Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust über das Internet sowie aufenthaltsrechtliche Konsequenzen gegenüber Ausländern, die zu antisemitischem Hass aufrufen.

Entsprechende Forderungen hatte eine von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) eingesetzte Antisemitismus-Kommission dem Bundestag vorgeschlagen.

"Antisemitismus in allen politischen Lagern"

In dem Antrag heißt es, der Bundestag verurteile und wende sich gegen jede Form von Antisemitismus. Deutschland trage vor dem Hintergrund der Schoah, der Entrechtung und der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden, eine besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus.

Die Fraktionen erklären, dass zahlreiche antisemitische Delikte "weiterhin rechtsextrem motiviert" seien. Neu sei ein durch "Zuwanderung verstärkter Antisemitismus aus den Ländern Nordafrikas, dem Nahen und Mittleren Osten".

Antisemitismus finde sich aber in allen politischen Lagern, und er nehme mit dem Antizionismus und der Israelfeindlichkeit auch neue Formen an.

 

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA