Großdemonstration gegen Agrarindustrie

"Billiges Fleisch zerstört lokale Landwirtschaft"

Unter dem Motto "Wir haben Agrarindustrie satt" gehen rund 100 Organisation an diesem Samstag in Berlin auf die Straße - darunter das kirchliche Hilfswerk Misereor. Es sei wichtig, Druck auf die Politik zu machen, sagt Misereor-Referentin Sarah Schneider.

Fleischtheke: Sieht man noch die Kreatur hinter dem Produkt? (DR)
Fleischtheke: Sieht man noch die Kreatur hinter dem Produkt? / ( DR )

DOMRADIO.DE: Warum machen Sie von Misereor mit bei dieser Demo gegen die Agrarindustrie?

Sarah Schneider (Katholisches Hilfswerk Misereor): Misereor ist seit mehreren Jahren bei der Demo dabei. Uns geht es natürlich vor allem um die internationale Dimension und um die Frage: Was haben das Agrarsystem und die Ernährungsweise in Deutschland mit den anderen Ländern auf der Welt zu tun? Es ist klar, dass unsere Agrarpolitik häufig verheerende Auswirkungen hat auf die Ernährungslage in Ländern im globalen Süden. Darum sind wir hier mit dabei.

DOMRADIO.DE: Das Motto der Demo lautet "Wir haben Agrarindustrie satt". Wer oder was ist denn die Agrarindustrie?

Schneider: Das ist das industrialisierte, input-intensive Modell der Landwirtschaft, das sich seit den 50er Jahren entwickelt und sich vor allem mit der Grünen Revolution nochmal weltweit durchgesetzt hat. Das heißt, die Produktion wurde zunehmend technisch, auf landwirtschaftliche Maschinen ausgerichtet und vor allem sehr input-intensiv - also basierend auf teuren Betriebsmitteln wie zum Beispiel Kunstdünger, Pestizide aber auch auf verbessertem Saatgut.

DOMRADIO.DE: Misereor sagt auch: Was und wie wir essen, ist politisch. Da gehe es um die globale Agrarindustrie, das heißt, um die Ausbeutung von Menschen in ärmeren Ländern, damit wir billiges Essen auf den Tisch bekommen. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Schneider: Indem wir uns entscheiden, was wir einkaufen, unterstützen wir bestimmte Produktionsformen. Entscheiden wir uns für die günstigsten Produkte, befördern wir bestimmte Produktionsformen. Ein Beispiel ist Fleisch: Wir wissen eigentlich, dass diese günstige, massive Produktion von Fleisch nur möglich ist, indem die Tiere mit Soja gefüttert werden - zum Beispiel aus Südamerika. Das Soja wird dort auf Riesen-Flächen angebaut, zum Beispiel in Brasilien. Und natürlich ist es fast zu hundert Prozent gentechnisch verändert und wird massiv gespritzt. Das Soja, das wir brauchen, um hier billiges Fleisch zu kaufen, zerstört also in Brasilien die lokale Landwirtschaft.

DOMRADIO.DE: Außerdem mahnen sie, wie Papst Franziskus das ja auch tut, unsere Verantwortung für die Schöfpung an. Inwiefern macht die ausufernde Agrarindustrie unseren Kontinent kaputt?

Schneider: Ein Beispiel ist Saatgut. Es wird zunehmend patentiert und ist zunehmend unter der Kontrolle von großen Konzernen. Da werden Verträge abgeschlossen, in denen Bauern und Bäuerinnen untersagt wird, selbst Saatgut weiterzuentwickeln, zu tauschen und zu verbreiten. Wenn es gerade auch um Schöpfung geht, würde ich sagen: Staatgut ist die Grundlage für unsere gesamte Ernähung. Es ist ein öffentliches Gut, worüber Bauern und Bäuerinnen die Kontrolle behalten müssen.

DOMRADIO.DE: Wenn wir als Konsumenten die Agrarindustrie nicht unterstützen wollen, was können wir ganz konkret tun?

Schneider: Wir können lokaler einkaufen. Wir können versuchen, direkt von Bauern und Bäuerinnen einzukaufen. Dadurch unterstützen wir sie direkt, das heißt, es geht kein Geld verloren für Werbung, Plastikverpackungen, lange Lagerprozesse und Transpoirt. Wenn wir lokal einkaufen, haben wir schon wahnsinnig viel getan. Wenn man Produkte global bezieht, wie zum Beispiel Kaffee oderTee, ist es wichtig, darauf zu achten, dass diese Produkte aus fairem Anbau sind.

domradio.de: Was kann denn ihrer Meinung nach eine solche Demo bewirken?

Schneider: Es ist wichtig, dass wir auf die Straße gehen, dass wir unsere Meinung nochmal deutlich machen. Es findet ja neben der Agrarmesse "Grüne Woche" auch die Berliner Agrarministerkonferenz statt (das weltweit größte Agrarministertreffen, Anm. d. Red.). Das heißt, es baut einfach Druck auf die Politik auf, wenn Leute auf die Straße gehen und klare Forderungen stellen. Wir senden unsere Forderungen auch nochmal als Deklaration an die Politiker. Insgesamt ist es wichtig, auf der Straße Druck zu machen, aber auch im Dialog und in Verhandlungen mit den verschiedenen Ministerium zu bleiben.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR