Adveniat zieht positive Bilanz zur Papst-Reise

Den Amazonas im Blick

Was bleibt von der Papstreise? Thomas Wieland vom katholischen Hilfswerk Adveniat sagt im Interview, dass langfristig vor allem die Stärkung der Indigenen in Erinnerung bleiben wird.

Franziskus begrüßt eine Ureinwohnerin / © Alessandra Tarantino/AP (dpa)
Franziskus begrüßt eine Ureinwohnerin / © Alessandra Tarantino/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Trotz der Themenvielfalt wurde die Reise überschattet von den innerkirchlichen Missbrauchsskandalen: In Chile hat Franziskus zwar um Vergebung gebeten, gleichzeitig hat er einen Bischof, den er selbst eingesetzt hatte und der die Taten gedeckt haben soll, verteidigt und die Vorwürfe "Verleumdungen" genannt. Die Kritik ist groß, selbst das Vatikansprachrohr "Vaticannews" spricht von einer "verheerenden" Wirkung. Sehen Sie das ähnlich?

Thomas Wieland (Leiter der Projektabteilung des katholischen Lateinamerikahilfswerkes Adveniat): Dass das Thema sexueller Missbrauch in der chilenischen Kirche auf die Tagesordnung kommen würde, war klar. Papst Franziskus ist ja deswegen auch dorthin gereist. Er hat zu Beginn seiner Reise in einer Ansprache vor den Regierungsvertretern klar Stellung bezogen und um Entschuldigung gebeten. Er hat sich mit Missbrauchsopfern getroffen, ohne dass das vorher in der Presse bekannt gegeben wurde. Es ging wirklich darum, Nähe zu zeigen.

Es passt in die Linie, die die chilenische Kirche in den vergangenen Jahren gegangen ist. Es sind viele Maßnahmen installiert worden - sowohl zur Prävention von sexuellem Missbrauch als auch zum Umgang mit Tätern. Die Fälle werden nun auch vor die staatlichen Gerichte gebracht. Trotzdem ist die Wunde groß. Die Aufarbeitung der menschlichen Verletzungen, die das Verhalten von kirchlichen Amtsträgern hervorgerufen hat, ist noch lange nicht am Ende.

Aber insgesamt ist die Entwicklung der katholischen Kirche in Chile beim Umgang mit sexuellem Missbrauch positiv - und diese positiven Entwicklungen muss man in den Blick nehmen.

DOMRADIO.DE: Sind dadurch die Themen der indigenen Völker und die Bewahrung der Schöpfung in den Hintergrund geraten?

Wieland: Kurzfristig ja. Es ist auf jeden Fall so, dass die Medien die Fragen rund Bischof Barros in den Vordergrund gestellt haben. Aber langfristig werden auch die Herausforderungen, die der Papst bei seinen Besuchen bei den Mapuchen in Südchile als auch im peruanischen Amazonasgebiet benennt, wichtig sein. Diese Themen werden langfristig auf der Themenordnung sein und uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen. Dabei geht es zum einen um die ökologische Herausforderung - denn die "Lunge der Welt" wird systematisch zerstört.

Zum anderen geht es aber auch um die 35 Millionen Menschen, die im Amazonasgebiet leben. Was passiert mit ihnen, wenn ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird? Bei seinem Besuch hat Papst Franziskus Pflöcke eingeschlagen, die ganz in der Linie der Enzyklika "Laudato si" liegen.

DOMRADIO.DE: Der Papst hat in Peru zur Bewahrung der Schöpfung aufgerufen, in einem Land, das sich als Bergbaunation definiert und wo es zahlreiche Gold- und Kupferminen gibt, die zulasten der Umwelt und der Menschen gehen. Können seine Worte überhaupt eine politische Wirkung haben?

Wieland: Die Erfolge sehen wir jetzt schon. Den Besuch des Papstes muss man im Kontext einer längeren kirchlichen Entwicklung sehen, die sich schon seit 2013 amazonasweit artikuliert. Das kirchliche panamazonische Netzwerk - zu dem auch das Lateinamerika-Netzwerk Adveniat gehört - spielt dabei eine wichtige Rolle. Der Papst unterhält eine intensive Beziehung zum Netzwerk. Und da werden die Themen systematisch von der Basis aus diskutiert.

Es geht auch darum, dass die indigenen Völker ihre Rechte einklagen können und dass sie nicht tatenlos zusehen müssen, wenn ihre Lebensgrundlagen entzogen, die Wälder abgeholzt, die Gewässer verseucht werden. Sie haben nun die Möglichkeit, gerichtlich dagegen vorzugehen. Das nutzen sie - und der Papst stärkt sie darin. Der Besuch unterstreicht das und bringt das nochmal in eine breite weltweite Öffentlichkeit.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Ein Gläubiger wartet auf den Papst am Strand Lobito in Iquique  / © Cristobal Escobar/Agencia Uno (dpa)
Ein Gläubiger wartet auf den Papst am Strand Lobito in Iquique / © Cristobal Escobar/Agencia Uno ( dpa )

Indigene in Peru warten auf den Papst / © Carlos Lezama/Agentur Andina (dpa)
Indigene in Peru warten auf den Papst / © Carlos Lezama/Agentur Andina ( dpa )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema