In der in Hamburg erscheinenden Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag) erklärte er zugleich, dass es bei Missbrauchsfällen ein großes Dilemma gebe: Einerseits seien Missbrauchsopfer darauf angewiesen, dass man ihnen glaube; andererseits hätten bezichtigte Personen das Anrecht auf ein faires Verfahren und die Unschuldsvermutung.
Mertes betonte: "Meist sind die Aussagen von Missbrauchsopfern glaubwürdig, zumal diese oft ein hohes Risiko eingehen, wenn sie das Schweigen brechen. Doch ich war auch schon mit Fällen konfrontiert, da wollte ich einem mutmaßlich Betroffenen gern glauben, konnte es aber nicht. Geschieht das, muss man es deutlich sagen. Auch wenn es wehtut."
Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg
Mertes hatte 2010 als damaliger Leiter der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg öffentlich gemacht, dass Schüler durch Geistliche sexuell missbraucht worden waren. Damit wurde der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und weiteren gesellschaftlichen Einrichtungen sowie Schulen bekannt.
Hintergrund ist die Bemerkung des Papstes am Rande seines Chilebesuchs, für Vertuschungsvorwürfe gegen den chilenischen Bischof Juan Barros lägen keine Beweise vor. Franziskus sprach dabei von "Verleumdung". Auf dem Rückflug von seiner Lateinamerikareise sagte er vor Journalisten, seine Wortwahl sei unglücklich gewesen. Barros bleibe jedoch im Amt, weil ein schuldhaftes Verhalten nicht erwiesen sei.
Keine Beweise, Indizien
Der Papst sagte, viele Missbrauchsopfer könnten keine Beweise für das Erlittene beibringen oder schämten sich, diese offenzulegen. Statt von "Beweisen" müsse man richtiger von sicheren Indizien sprechen.
Das Wort "Beweis" habe die Opfer verletzt. Deshalb bitte er um Entschuldigung. "Den Papst sagen zu hören: 'Bringt mir einen Brief mit dem Beweis', ist eine Ohrfeige", so Franziskus.