Bundespräsident reist nach Jordanien und in den Libanon

Islamisches Königreich und religiöser Schmelztiegel

Der multireligiöse Libanon und das mehrheitlich sunnitische Königreich Jordanien: Die Länder, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ab Samstag bereist, sind sehr unterschiedliche. Trotzdem gelten sie als Mittler in den Krisenherden der Region.

Autor/in:
Andrea Krogmann und Anna Mertens
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steigt ins Flugzeug / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steigt ins Flugzeug / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist vom 27. bis 31. Januar nach Jordanien und in den Libanon. Luftlinie kaum 220 Kilometer voneinander entfernt, erwarten ihn in Beirut und Amman grundverschiedene Gesellschaften – mit vergleichbaren Herausforderungen. Für den Bundespräsidenten haben beide Länder, die je Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen haben, vergleichsweise erfolgreiche gesellschaftliche Modelle in der Region. Dies wolle man mit dem Besuch würdigen, wie es aus dem Bundespräsidialamt heißt.

Das Reiseprogramm ist entsprechend vielseitig und umfassend. So planen Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender außer offiziellen Gesprächen mit Regierungsvertretern auch den Austausch mit dem Großmufti der Libanesischen Republik, Scheich Abdul Latif Derian, und Repräsentanten der im Libanon vertretenen Religionen, Gespräche mit Mitarbeitern von Nichtregierungsorgansiationen, Schülern, Studenten, den Besuch eines jordanischen Flüchtlingslagers, aber auch archäologischer Stätten und Kunstausstellungen.

Lange her

Der Bundespräsident wolle sich ein umfassendes Bild beider Länder machen. Im Libanon ist es nach Angaben des Präsidialamts der erste offizielle Besuch eines deutschen Staatsoberhauptes seit 120 Jahren.

"Der Libanon ist nicht nur ein Land – der Libanon ist eine Botschaft", sagte Papst Johannes Paul II. einst. Tatsächlich ist die parlamentarische Republik mit ihrer Bevölkerungszusammensetzung ein Sonderfall im Nahen Osten. Mit rund 40 Prozent verzeichnet das Land den größten Anteil Christen in der Arabischen Welt. Auch die Zahl offiziell anerkannter Religionsgemeinschaften ist mit 18 ungewöhnlich hoch. Unter den Muslimen sind Sunniten und Schiiten gleichermaßen vertreten; Drusen (5,7 Prozent) und Alaviten (2 Prozent) stellen weitere Minderheiten.

Risse in der Gesellschaft

Die Vielfalt des Landes spiegelt sich in einem komplexen politischen System wider. Seit dem sogenannten Taif-Abkommen von 1989 teilen sich sieben christliche Konfessionen und vier muslimische Gruppen nach einem festen Schlüssel paritätisch die Sitze im Parlament. Eine Staatsreligion kennt das Land nicht.

Das feine Gefüge des Libanon hat aber mit dem Bürgerkrieg (1975-1991) Risse bekommen, die sich bis heute nicht nur durch die christliche Gesellschaft ziehen. Die politische Fragmentierung in zwei gegensätzliche Lager und das bislang ungelöste Problem der durch den israelisch-palästinensischen Konflikt ins Land geflohenen Palästinenser erschweren den Erhalt des libanesischen Gleichgewichts.

Rasse, Sprache oder Religion

Ganz anders die konstitutionelle Monarchie Jordanien: Nur rund 2,2 Prozent der Bewohner des Haschemitischen Königreichs sind Christen – und sie sind immerhin die einzig nennenswerte religiöse Minderheit unter Muslimen. De facto ist der sunnitische Islam laut Verfassung Staatsreligion. Eine Diskriminierung vor dem Gesetz aufgrund von Rasse, Sprache oder Religion schließt die Verfassung allerdings aus; und mit 9 von 150 Sitzen verfügt die christliche Minderheit grundsätzlich über eine garantierte Vertretung im Parlament.

Immer wieder haben Vertreter des muslimischen jordanischen Könighauses und der Regierung zudem die Bedeutung der Christen für das Land und die Region betont. Papst Franziskus lobte König Abdullah II. als "Mann des Friedens" und verwies auf einen enormen Beitrag des Königreiches für den Frieden in der Region, in der Flüchtlingshilfe, aber auch im interreligiösen Dialog.

Mittler in den Krisenherden

So sehr sich das multireligiöse Beirut und das sunnitische Amman unterscheiden – die Hauptherausforderungen für beide heißen Syrien, Palästina, Irak. Jeder dritte Bewohner beider Länder ist mittlerweile ein Flüchtling; die Aufnahmekapazitäten sind längst erschöpft.

Insbesondere im fragilen Gleichgewicht des Libanon verschärft der Zustrom zumeist sunnitischer Flüchtlinge aus Syrien die religiösen Spannungen im Land. Und in beiden Ländern warnen Christen und moderate Muslime vor dem Import eines radikalen Islam aus Syrien.

Die Westliche Welt sieht genau hierin die Rolle Jordaniens und des Libanon für den Nahen Osten: Mittler in den Krisenherden der Region sollen sie sein – in Syrien, und im Fall Jordaniens auch im israelisch-palästinensischen Konflikt.


Quelle:
KNA