Misereor: Sorge um Menschenrechtler in Honduras

Ruf nach Verhandlungsbereitschaft

In Honduras ebben die Proteste nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Juan Orlando Hernandez nicht ab - der ließ sich dessen unageachtet am Wochenende vereidigen. Stefan Ofteringer von Misereor über mögliche Auswege aus der Krise.

Protest gegen die Vereidigung von Präsident Hernandez / © Eduardo Verdugo (dpa)
Protest gegen die Vereidigung von Präsident Hernandez / © Eduardo Verdugo ( dpa )

Die linksgerichtete Opposition in Honduras um Herausforderer Salvador Nasralla wirft der Regierung um Präsident Juan Orlando Hernandez Wahlbetrug vor. Ungeachtet dessen ließ sich Hernandez am Wochenende vereidigen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) hat mit Stefan Ofteringer, Honduras-Kenner und Menschenrechtsexperte des katholischen Hilfswerks Misereor, über mögliche Auswege aus der Krise gesprochen.

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Ofteringer, wie schätzen Sie im Moment die politische Lage in Honduras ein?

Stefan Ofteringer (Honduras-Experte bei Misereor): Die Lage ist sehr polarisiert und gewalttätig. Wir haben in den letzten Wochen viele Proteste erlebt, die bereits mindestens 30 Todesopfer gefordert haben. Es gibt bislang auf höchster Ebene keine Annäherung. Die gegenseitig unterbreiteten Verhandlungsangebote haben eigentlich keine wirkliche Basis. Wir machen uns große Sorgen um die Menschenrechtsverteidiger im Land, die massiven Angriffen und Diffamierungskampagnen ausgesetzt sind.

KNA: Auf welcher Basis beruht der Vorwurf der Opposition, die Wahlen seien gefälscht. Gibt es dafür Beweise?

Ofteringer: Wir sind nicht in der Lage, von Beweisen zu sprechen. Aber es sind mehr als nur Verdachtsmomente. Die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten und der Europäischen Union haben festgestellt, dass es zu Irregularitäten gekommen ist. Es gibt Berichte über Repressalien während des Wahlvorgangs. Besonders gravierend aber waren der angebliche Ausfall des Zählsystems der Obersten Wahlbehörde sowie die verspätete Verkündung des Wahlergebnisses, das der ersten Hochrechnung entgegenstand.

KNA: Die katholische Kirche in Honduras hat zum Dialog aufgerufen. Von wem sollte der geführt werden?

Ofteringer: Es gibt keinen anderen Weg als den Dialog, das ist ganz klar. Ich möchte mich hier nicht zu konkreten Personen äußern, aber es gibt einige potenzielle Vermittler oder Institutionen, die eine solche Rolle ausüben könnten, wie etwa die UN oder die OAS.

KNA: Welche Forderungen haben Sie an beide Konfliktparteien?

Ofteringer: Die Regierung wäre gut beraten, die massive Militarisierung im Land zurückzufahren und zu zeigen, dass sie auch tatsächlich verhandlungsbereit ist. Andererseits muss auch die Opposition ihren Diskurs herunterfahren.

KNA: Der oppositionelle Kandidat Nasralla hat den Präsidenten aufgefordert, den Wahlbetrug zuzugeben. Dann wäre er zum Dialog bereit. Ist eine solche Forderung realistisch?

Ofteringer: Die Opposition hat zuletzt in Person des Ex-Präsidenten Manuel Zelaya, der eine tragende Rolle in dem Oppositionsbündnis spielt, betont, dass sie zu Verhandlungen bereit ist. Er fährt eine nicht ganz so harte Linie wie Nasralla, so dass etwas unklar ist, wie die Linie der Opposition aussieht.

KNA: Stehen Honduras venezolanische Verhältnisse bevor? Auch dort hat die Opposition der Regierung Wahlbetrug vorgeworfen, Belege vorgelegt, die aber nie überprüft wurden. Es folgte eine Militarisierung und ein Chaos, wie wir es jetzt erleben.

Ofteringer: Ich weiß nicht, ob wir das so vergleichen können. Die Ereignisse von 2009, als Präsident Manuel Zelaya aus dem Amt geputscht wurde, sind nie richtig aufgeklärt worden. Der Weg zurück in die demokratische Legitimität war mehr als holprig. Und wir sehen hier nun das Ergebnis dieses Prozesses. Für eine wirkliche Demokratisierung des Landes ist es nicht nur notwendig, auf den Wahlprozess zu schauen, sondern auch auf die Frage der Ausgestaltung demokratischer Prozesse. Es geht auch um die Anerkennung der Grundrechte der organisierten Zivilgesellschaft, wie etwa der Rechte indigener Gemeinden darauf, einbezogen zu werden und zuzustimmen, bevor Großprojekte durchgeführt werden.


Quelle:
KNA