Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm – die möglichen Gesprächsthemen heikel. Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag zu einer Begegnung mit Papst Franziskus in den Vatikan kommt, gleicht Roms Innenstadt einer Hochsicherheitszone.
Weit mehr als 3.000 Sicherheitskräfte sollen dann zwischen Vatikan und Quirinalspalast sowie der Via Veneto im Einsatz sein, wo Erdogan bereits am Sonntagabend sein Hotelzimmer bezieht. Demonstrationen sind verboten, Proteste unter anderem von kurdischen Exilgruppen gleichwohl angekündigt. Spannung liegt also in der Luft – und das nicht nur, weil es sich bei der Begegnung um eine Premiere der besonderen Art handelt.
Das erste Mal nach 60 Jahren
Erstmals nach Aufnahme der vollen diplomatischen Beziehungen zwischen Heiligem Stuhl und der Türkei 1960 reist ein türkischer Präsident oder Regierungschef in den Vatikan. Begegnet sind sich Franziskus und Erdogan schon einmal, 2014 in Ankara.
Das Verhältnis ist delikat. Als Franziskus 2015 die Massaker an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts öffentlich als "Völkermord" bezeichnete, zog Ankara seinen Vertreter beim Heiligen Stuhl zurück. Bei seinem Armenien-Besuch 2016 wiederholte Franziskus diese Formulierung. Vize-Ministerpräsident Nurettin Canikli nannte dies "sehr unglücklich" und sprach von "Kreuzzugmentalität". Ein Bild aus dunklen Tagen des Mittelalters, das alles andere als ein friedliches Miteinander von Christen und Muslimen transportiert.
Worum wird es dieses Mal gehen?
Und doch scheint es Punkte zu geben, in denen sich Erdogan einig mit Franziskus weiß. Er wolle, so sagte er am Sonntag der italienischen Zeitung "La Stampa", mit dem Papst über den Nahost-Konflikt sprechen.
Im Gegensatz zu der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, bestehe die Lösung im Erhalt des Status Quo. Damit und mit seinem Plädoyer für eine Zwei-Staaten-Lösung liegt Erdogan auf einer Linie mit dem Vatikan. Islam sowie Juden- und Christentum müssten weiterhin Zugang zu den heiligen Stätten haben, fügte Erdogan hinzu. Die Rechte der Palästinenser seien ebenfalls zu wahren.
Viele Schatten liegen über der Türkei
Nach Ansicht von Beobachtern steckt hinter solchen Aussagen auch das Bestreben, sich als besonnener Staatsmann zu präsentieren, der die Interessen der Muslime vertritt. Für die Imagepflege sicher kein Nachteil, denn im Westen produziert der Präsident in der jüngeren Vergangenheit vornehmlich Negativschlagzeilen. Seit dem Putsch vom Sommer 2016 ist die Presse- und Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt, dafür stehen auch die Namen inhaftierter deutscher Journalisten wie Deniz Yücel oder Mesale Tolu, die Ende des Jahres unter Auflagen frei kam.
Einen Schatten wirft auch die unlängst begonnene Militäroffensive gegen kurdische Einheiten im syrischen Afrin. Erdogan versucht offenbar, für seinen "gerechten Krieg" möglichst breite Rückendeckung zu bekommen. Vor einer Woche wurde ein Unterstützungsschreiben des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. bekannt, in dem das Ehrenoberhaupt der orthodoxen christlichen Kirchen erklärt, die Weltöffentlichkeit stehe hinter "der entschlossenen Haltung von Präsident Erdogan in seinem Kampf gegen den Terror". Man bitte Gott darum, "dass die türkischen Streitkräfte ihr Ziel erreichen".
Ähnliche Gebetsanliegen wurden offenbar auch in Gebetshäusern des deutsch-türkischen Moscheeverbandes Ditib formuliert. Wie genau es zu der Solidaritätsadresse von Bartholomaios kam, ist einstweilen unklar. Manch einer wertet den Vorgang als Nötigung des Ökumenischen Patriarchen.
Es gäbe da also einiges zu besprechen zwischen dem türkischen Präsidenten und dem Papst. Allerdings ist die Zeit knapp bemessen: Für die Audienz sind, wie üblich, 20 Minuten angesetzt.