Die türkische Tageszeitung "Hürriyet" hat am Wochenende ein Unterstützungsschreiben des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. an Präsident Recep Tayyip Erdoğan für dessen militärische Offensive in Nordsyrien veröffentlicht. Anders als in der türkischen, fand dies in der griechischen und zypriotischen Presse größtenteils negativen Widerhall. Das Zustandekommen der Solidaritätserklärung bleibt unterdessen im Dunkeln.
Die türkische Militäroffensive solle "Syrien wieder aufbauen"
Nach Angaben von "Hürriyet" schreibt der Partriach, dass er für den Erfolg der türkischen Offensive in Syrien betet – gleichzeitig erinnert er an die syrischen Vertriebenen: "Wie es in unserer Kirche Tradition ist, beten wir für unseren Staat, die Gesundheit unserer Führer und um Wohlergehen und Freude unserer Leute. Wir haben nicht die hunderttausenden Menschen vergessen, die aufgrund von Konflikten in unseren Nachbarländern im Süden, insbesondere in Syrien, vertrieben wurden".
In dem Schreiben des Ehrenoberhaupts der orthodoxen christlichen Kirchen heißt es, nach den Angaben der Zeitung, dass "die Kirche Gott um Frieden bittet und darum, dass die 'Operation Olivenzweig' dazu verhilft, Syrien wieder aufzubauen".
Kritische Reaktionen auf Unterstützungsschreiben
Konservative orthodoxe Kreise, die Bartholomaios I. unter anderem wegen seiner ökumenischen Offenheit kritisch sehen, erneuern nun alte Vorwürfe gegen den Patriarchen als "Türkenknecht". Das neutrale Athener Kirchenportal "romfea.gr" gibt den Text aus der "Hürriyet" unter einem Bild von Bartholomaios mit einem schwerbewaffneten türkischen Soldaten unter dem Titel wider: "Ökumenischer Patriarch: Wir beten um Erfolg der türkischen Truppen".
Das Patriarchat bestätigte, dass der Patriarch die Erklärung als letzter Religionsführer nach dem israelitischen Oberrabbiner, dem armenischen Patriarchatsverweser und dem syrisch-orthodoxen Patriarchalvikar von Istanbul abgegeben habe. Zu den genauen Umständen und dem Zustandekommen der Erklärung könne man sich nicht äußern, hieß es.
Bisher hatte sich der Ökumenische Patriarch dem Druck von Präsident Erdogan widersetzt, ihn öffentlich zu unterstützen. So äußerte er sich nicht zur angeblichen staatsfeindlichen Verschwörung von Anhängern des Predigers Fethullah Gülen und nahm als einzige religiöse Führungspersönlichkeit der Türkei nicht an der Massen-Treuekundgebung für Erdogan vom August 2016 teil.
Die der Regierung nahestehende Boulevardzeitung "Sabah" berichtete am Wochenende ebenfalls, Bartholomaios habe sich als letzter auf die Liste der religiösen Minderheitenführer der Türkei zur Unterstützung der laufenden Militäroperation gesetzt. Laut "Sabah" gab auch der "Verband nicht-mulimischer religiöser Stiftungen", eine Dachorganisation von christlichen und jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen, eine gleichlautende Unterstützungserklärung ab.
Keine Unterstützung durch katholische Kirche
Keine Unterstützung des militärischen Vorgehens in Nordsyrien, wo neben Kurden auch Christen leben, liegt bisher von Seiten der katholischen Kirche in der Türkei vor. Sie wurde dieser auch nicht abverlangt, da die türkischen Katholiken keinen öffentlich-rechtlichen Status wie Griechisch-Orthodoxe oder Armenier besitzen.
In katholischen Kreisen herrscht jedoch Besorgnis über den von der Regierung ausgeübten Druck auf die anderen religiösen Minderheiten. Beobachter werteten den Vorgang als Nötigung des Ökumenischen Patriarchen - und das kurz vor einem für Anfang Februar geplanten Treffen Erdogans mit Papst Franziskus, der als enger Freund von Bartholomaios I. gilt.