Ein gerodeter Wald aus Stiften, in der Mitte steht ein Clown: Er gießt den einzigen nachwachsenden Stift mit der Aufschrift "Narrenfreiheit". Der Motivwagen mit dieser Szene führte vor drei Jahren den Kölner Rosenmontagszug an, wenige Wochen nach dem Attentat auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo". Sozialkritik hat im rheinischen Karneval Tradition. Worum geht es an den närrischen Tagen in Deutschland noch, jenseits von Schlagermusik und Süßigkeitenjagd? Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet die wichtigsten Fragen.
Woher kommt die Tradition?
Ohne das höchste christliche Fest, Ostern, gäbe es keine Fastnacht. Vor der Fastenzeit galt es einst, Fleisch und verderbliche Lebensmittel - auch Bier - in einem großen, gemeinsamen Fest zu vernichten. Die Fastenzeit als Vorbereitung auf das Osterfest beginnt am Aschermittwoch (in diesem Jahr: 6. März) und dauert vierzig Tage (ohne die Sonntage). Heute wird Karneval hauptsächlich in katholisch geprägten Regionen gefeiert.
Wann beginnt Karneval?
Die Karnevalssession wird am 11.11. um 11.11 Uhr eröffnet. Die Vorliebe der Narren für die Zahl Elf ist nicht eindeutig geklärt, lässt sich jedoch schon im 14. Jahrhundert belegen. Sie wird teils als Zahl interpretiert, die die Gleichheit aller Menschen unter der Narrenkappe symbolisiert. Ab dem "Elften im Elften" finden Sitzungen mit Tanzgruppen, Reden und Musikbands statt. Diese Veranstaltungen und Vereine werden oft von einem sogenannten Elferrat geführt. Der Höhepunkt wird im Frühjahr beim Straßenkarneval erreicht: Fünf Tage lang, von Donnerstag bis Dienstag, wird gefeiert. Kleinere Umzüge und Sitzungen finden oft schon in den Vorwochen statt.
Und wann ist der Spaß vorbei?
In der Nacht zum Aschermittwoch endet die närrische Zeit, vielerorts feierlich. In Köln wird eine Strohpuppe, der Nubbel, als Verantwortlicher für die Ausschweifungen über Karneval verbrannt, in Düsseldorf und am Niederrhein der Hoppeditz zu Grabe getragen. Auch in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht gibt es den Brauch, dass die "Fasnet" - meist in Form einer Strohpuppe - verbrannt wird. Mancherorts wird auch der Narrenbaum, ein weiteres Symbol für die Fastnacht, ein Opfer der Flammen.
Was bedeuten die verschiedenen Namen?
Die fünfte Jahreszeit hat viele Namen: In Bayern, Österreich und Sachsen ist der Begriff "Fasching" gebräuchlich. Er leitet sich vom "Fastenschank" ab, also dem letzten Ausschank alkoholischer Getränke vor der Fastenzeit. In Teilen Bayerns, Südwestdeutschlands und der Schweiz wird dagegen "Fastnacht/Fasnacht" gefeiert. "Karneval" bezieht sich auf das Rheinland. Das Wort stammt wahrscheinlich vom Mittellateinischen "carne levare", was "Fleisch wegnehmen" bedeutet.
Auch die einzelnen Tage werden unterschiedlich benannt. Die Fastnachtswoche beginnt im schwäbisch-alemannischen Raum mit dem schmotzigen Donnerstag, im Rheinland dagegen mit der Weiberfastnacht und im Harzer Land mit dem Fetten Donnerstag. Es folgen der Nelkensamstag, der Orchideen- oder Tulpensonntag, der Rosenmontag und schließlich der Veilchendienstag, der auch Fastnachtsdienstag genannt wird.
Welche Unterschiede gibt es zwischen den Regionen?
Im rheinischen Karneval spielt der Straßenkarneval mit vielfältigen, gern von Jahr zu Jahr neuen Kostümen eine zentrale Rolle. In der schwäbisch-alemannischen Fastnacht behalten die Träger ihre Masken dagegen stets bei; teils ist es üblich, sie von Generation zu Generation zu vererben. Beide Formen stehen im bundesweiten Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes.
Warum verkleidet man sich?
Heute sind der Fantasie beim Verkleiden kaum Grenzen gesetzt. Ursprünglich spielte die Idee, in eine andere Rolle zu schlüpfen - und damit die Machtverhältnisse auf den Kopf zu stellen -, eine entscheidende Rolle. Im 19. Jahrhundert ließen sich auf diese Weise Kontakte über Klassen- und Standesgegensätze hinweg knüpfen. Noch heute spiegeln sich manche Debatten in den Kostümen: 2014 etwa waren Verkleidungen als Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst beliebt. Der Limburger Bischof war wegen erheblich gestiegener Baukosten in seinem Bistum in die Schlagzeilen geraten und schließlich zurückgetreten. Insbesondere nach Papst-Wahlen sind auch viele weißgewandete Jecken zu sehen.
Welche Umzüge sind besonders sehenswert?
Der erste Faschingsumzug fand 1397 in Nürnberg statt - und bis heute gibt es in der fränkischen Metropole einen Umzug. Heute ist der Kölner Rosenmontagszug mit einer Gesamtlänge von fast sieben Kilometern einer der größten in Deutschland. Der Düsseldorfer Zug mit rund 5.500 Teilnehmern ist nur wenig kleiner. Auch in der Mainzer Fastnacht ist der große Rosenmontagszug das Highlight für die Narren. Weniger bekannt ist der größte Faschingsumzug in Norddeutschland in Braunschweig, der traditionell am Sonntag vor Rosenmontag stattfindet.
Was hat es mit dem Prinzenpaar auf sich?
Der Prinz ist in vielen Regionen das Oberhaupt der Narren. Er regiert allein, mit einer Prinzessin, einem Zeremonienmeister oder in einem Dreigestirn. Die Analogie zum Adelstitel, die sich auch in einer festlichen Uniform spiegelt, deutet auf die Umkehrung der Verhältnisse hin: An vielen Orten "übernehmen" die Tollitäten für die Dauer von Karneval das Rathaus. Auch ist das Amt mit vielen repräsentativen Pflichten während der gesamten Session verbunden.
Welche Rolle spielen die Sitzungen, die teils im Fernsehen übertragen werden?
Der klassische Sitzungskarneval ist eine bürgerliche Tradition. Nach Einschätzung mancher Experten wird er sich künftig stark verändern und eher einen Party-Charakter bekommen - oder ganz verschwinden. Unzählig sind unterdessen die kleineren, oft sehr individuellen Sitzungen. So gibt es eigene Veranstaltungen von Immigranten, Frauengruppen oder Kirchenchören, und Vereine und Karnevalsgesellschaft richten besondere Sitzungen für kranke oder arme Menschen aus.