Von seiner Person hat Kardinal Friedrich Wetter nie Aufhebens gemacht. Er redet auch nicht öffentlich über andere, schon gar nicht über seinen Nachfolger im Amt des Erzbischofs von München und Freising. Seit er vor zehn Jahren den Hirtenstab an Reinhard Marx weiterreichte, hält sich der gebürtige Pfälzer im Hintergrund.
Wenn es die Gesundheit zulässt, steht Wetter an hohen Kirchenfesten im Münchner Liebfrauendom mit am Altar. Bisweilen nimmt er Marx Termine ab, etwa, wenn langjährige Weggefährten aus dem bayerischen Episkopat zu Grabe zu tragen sind. Am heutigen Dienstag wird Wetter 90 Jahre alt.
Feier im kleinen Kreis
Groß gefeiert wird der Geburtstag nicht: ein Gottesdienst im kleinen Kreis mit anschließendem Essen. Wichtiger sind dem Jubilar, der von 1982 bis 2008 die Erzdiözese leitete, zwei andere Termine in diesem Jahr: der 50. Jahrestag seiner Bischofsweihe in Speyer im Juni und der 65. seiner Priesterweihe im Oktober in Rom.
Es war am Lichtmesstag 2007, da gab ein in sich ruhender Wetter bekannt, dass Benedikt XVI. seinen altersbedingten Rücktritt angenommen habe. Bei der Wahl des Papstes aus Bayern zwei Jahre zuvor hatte er noch mitgewirkt und diesen 2006 auch zum Heimatbesuch in München empfangen. Spätestens da hatte der "bayerische Pfälzer" seinen Frieden mit Joseph Ratzinger gemacht, mit dem er zuvor in der Glaubenskongregation auch hart gerungen hatte - etwa um die Schwangerenkonfliktberatung.
Stolz auf "befriedetes Bistum"
Benedikt revanchierte sich, indem er Wetter zum Ende seiner Amtszeit in München eine elegante, aber selten praktizierte Übergangslösung ermöglichte. Statt der üblichen Wahl eines Diözesanadministrators durch das Domkapitel durfte sich der Kardinal noch ein Jahr lang selbst vertreten.
Seinem Nachfolger übergab Wetter ein "befriedetes Bistum", worauf er besonders stolz war. Lautet doch sein Wahlspruch "Der Friede sei mit Euch". An so manche Neuerung hatte er sich gewagt und etwa angesichts der weniger werdenden Priester erste Versuche mit Gemeindeleitungen ohne einen Geistlichen an der Spitze ermöglicht. Der Nachfolger hielt davon anfangs nichts. Doch weil auch ein Bischof dazu lernt, wie Marx bekannte, plant die Erzdiözese derzeit drei Modellprojekte zu alternativen Formen der Leitung. Wetter dürfte dies freuen - im Stillen, wie es seiner Art entspricht.
Seltene laute Zwischenrufe
Seit seinem Auszug aus dem Bischofshaus lebt der Kardinal zurückgezogen im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern. Täglich feiert er dort die Morgenmesse. Dafür feilt er an seinen Predigten, wie es sich für einen Dogmatiker gehört, der in Eichstätt und Mainz auch als Professor lehrte. Seit 2008 gibt es einen Kardinal-Wetter-Preis für Nachwuchstheologen.
Laute Auftritte oder tagespolitische Zwischenrufe waren Wetters Sache nicht - bis auf wenige Ausnahmen. 1995 ging er mit seinem evangelischen Amtsbruder, Landesbischof Hermann von Loewenich, mit dem er sich bestens verstand, auf die Straße, um gegen das Schulkreuz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu demonstrieren.
Schwere Stunden bereitete ihm die Millionenpleite der Gesundheits- und Sozialeinrichtungen des Deutschen Ordens kurz nach der Jahrtausendwende. In einem diplomatischen Kraftakt gelang es ihm, unter seinen Mitbrüdern Solidarität zu organisieren und durch den Einsatz erheblicher Summen Tausende Arbeitsplätze zu retten.
Berufsalternative: Lokführer
Gerne pflegte Wetter das Gespräch mit Kulturschaffenden. Manchmal kam es spontan zu Begegnungen, etwa als Joachim Fuchsberger in München als Pfarrer auf der Bühne stand. Später schwärmte der Schauspieler davon, wie sich beide im Anschluss bei einem Bier prima unterhalten hätten.
In die Wiege gelegt war Wetter das nicht. Sein Vater war Lokführer. Der kleine Friedrich durfte ihn hin und wieder auf Fahrten begleiten, auch mal einen Handgriff tun. Als ihm die Deutsche Bahn 1999 die Möglichkeit gab, im Führerstand eines ICE mitzufahren, war das für den Kardinal eine große Freude. "Lokführer wäre durchaus eine Berufsalternative für mich gewesen", gestand er.
Entschieden hat er sich aber für das Priesteramt, ist er doch überzeugt: "Man würde die Welt nicht wiedererkennen, wenn alle ihren Auftrag als Christen erfüllen würden."