Sein letzter öffentlicher Auftritt war eigentlich wie immer. Billy Graham präsentierte vor vier Jahren vor Millionenpublikum die monumentale TV- und DVD-Dokumentation "The Cross" (Das Kreuz) über sein Lebenswerk. Noch einmal erhob der damals 95-jährige Volksprediger seine Stimme, die ihm über sechs Jahrzehnte das Gehör der Mächtigen und Gläubigen gefunden hat.
Mehr als 100 Fernsehstationen übertrugen das Ereignis und Gläubige verfolgten es in tausenden Gotteshäusern live. Zu diesem Zeitpunkt war Graham körperlich schon schwer von der Parkinson-Krankheit gezeichnet. Doch die von der Kraft seines Glaubens geprägte Stimme, die Gottes Wort verkündete, die Bibel auslegte und missionierte, war immer noch zu vernehmen.
"Den Glauben wieder zum Leben erwecken"
Es war das Ausrufezeichen einer Ausnahmekarriere, die Billy Graham zu einer "Marke" machte, die seinen christlichen Unternehmungen über die lange Wirkzeit mehr als umgerechnet 300 Millionen Euro einbrachte. Erlöse aus den 30 Büchern, die er fast alle selber schrieb, CDs, Videos, und Spenden.
Graham wollte mit "The Cross" sein Werk fortsetzen, den Glauben in den Amerikanern «wieder zum Leben erwecken". So wie damals, 1957, als er zu seinem ersten "Bekehrungs-Kreuzzug" in den Madison Square Garden nach New York aufbrach. Bei seinen Auftritten über sechzehn Wochen erreichte er bei diesem "Crusade" mehr als zwei Millionen Menschen.
Setzte auf Radio und Fernsehen
Am Anfang seiner Laufbahn stand ein eigenes Erweckungs-Erlebnis, was ihn dazu bewegte, als Evangelist tätig zu werden. Früher als andere verstand er, die Macht der Medien für die Evangelisieren zu nutzen.
Schon in den 40er Jahren setzte er auf das Radio, sehr bald danach dann auch auf das Fernsehen. So erreichten seine Predigten Millionen von Gläubigen, die ihn wegen seiner Eloquenz "Amerikas Pastor" nannten.
Internationale Mission
Doch Grahams Mission war keine nationale. Er setzte seine "Crusades" im Ausland fort. So übertrugen zehn europäische TV-Stationen einen Auftritt in der Dortmunder Westfallen-Halle. 1966 predigte er live in London vor einer Millionen Menschen.
Seine Frau hielt den Stil des "Maschinengewehr Gottes" für zu laut und zu theatralisch. Doch der groß gewachsene mit strahlend blauen Augen hatte ein Charisma, das Menschen weltweit ansprach. So darf der 1918 in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina geborene Graham mit Fug und Recht als der berühmteste Evangelikale bezeichnet werden.
Kontakt mit Präsidenten
Besonders stolz war er darauf, mit fast allen Präsidenten seiner Epoche öffentlich gebetet und ihnen Ratschläge gegeben zu haben. Seit Harry S. Truman gab es keinen US-Präsidenten mit dem er nicht regelmäßigen Kontakt pflegte. Lyndon B. Johnson zählte er zu seinen Freunden wie die Bush-Familien und Bill Clinton. Ganz nah war er mit Richard Nixon, dem er als Haus-Kaplan diente.
Graham bezeichnete sich selbst als Demokrat, blieb in seiner Verkündigung aber im Unterschied zu seinen Erben in der evangelikalen Bewegung stets unpolitisch. Seine Biografen betonen übereinstimmend seine frühe Opposition gegen die Rassentrennung im Süden der USA; 1963 zahlte er die Kaution für den in Birmingham/Alabama inhaftierten Martin Luther King.
Evangelikaler, aber kein Fundamentalist
Graham war Pastor der Southern Baptist Convention, doch seine christliche Lehre war konfessionell nicht gebunden. Er verstand sich als Evangelikaler, war aber kein Freund des christlichen Fundamentalismus. "Seine Entschlossenheit, mit den gemäßigten Protestanten und den Katholiken zusammenzuarbeiten", so Graham-Biograph Grant Wacker, "hat seine fundamentalistischen Freunde von ihm entfremdet." Sie nahmen es ihm sehr übel, "mit dem Feind" kooperiert zu haben.
Was seiner Popularität keinen Abbruch tat. Im Gegenteil: Der Zeitungsverleger William Randolph Hearst war ein großer Anhänger von ihm. Ein weiterer Grund für den kometenhaften Aufstieg des Volkspredigers. Sein Sohn Franklin (65) hat schon seit langem die Leitung der "Billy Graham Evangelistic Association" übernommen. Auch er steht in engem Kontakt zum Weißen Haus. Bei der Amtseinführung Donald Trumps gehörte er zum Kreis der Geistlichen, die für den neuen Präsidenten beteten.