DOMRADIO.DE: Herr Prälat Assenmacher, auch wenn die deutschen Bischöfe in ihrer Begründung von "Einzelfallentscheidungen" sprechen – wie bewerten Sie als Kirchenrechtler das Signal aus Ingolstadt?
Prälat Dr. Assenmacher: Zunächst: Wer bin ich, dass ich dies bewerten dürfte?! Der den Nachfolgern der Apostel geschuldete Respekt gebietet mir, mich mit dem differenzierten Text differenziert zu beschäftigen, den Bischöfen abzunehmen, dass der getroffenen Entscheidung eine "intensive Debatte in der Vollversammlung" vorausging und sie sich diese "nicht leicht gemacht haben". Allerdings habe ich im Vorfeld einen nochmals gesteigerten Erwartungsdruck konstatiert. Und ich frage mich, ob sich die Situation theologisch seit 2011 so geändert hat, dass so etwas wie das "ökumenische Gastgeschenk", das sich viele damals von Papst Benedikt XVI. erwarteten und das von ihm in der denkwürdigen Ansprache im Erfurter Augustinerkloster am 23. November 2011 ausdrücklich abgelehnt wurde, nun fällig war.
DOMRADIO.DE: Wurde eine solche "Orientierungshilfe" nicht schon lange erwartet, zumal die gängige Praxis vielerorts längst anders aussieht und die Menschen bei derartigen Entscheidungen nicht wirklich noch die Kirche um Erlaubnis fragen?
Assenmacher: Diese Zeiten sind doch durch die Bank längst vorbei. Ich erinnere mich wie gestern daran, dass ich als Junge etwa 1965/66 aufmerksam einem Gespräch beim Friseur im Nachbarort zuhörte. Es war von einem Mann die Rede, der als Geschiedener – damals bei uns noch eine Seltenheit – wieder heiraten wollte. Da sagte der Friseur: "Wenn er katholisch ist, geht das nicht." Antwort: "Kirche hin, Kirche her, die interessiert mich dann nicht!" Ich weiß sehr gut, dass eine solche Antwort auch ihre Vorgeschichte hat. Aber mit dem Verweis darauf ist noch nichts über die unabdingbare Gewissensbildung als Voraussetzung einer Gewissensentscheidung gesagt, die diesen Namen verdient. Das gilt bei der Frage des Kommunionempfangs analog genauso.
DOMRADIO.DE: In unserer Elterngeneration war eine konfessionsverschiedene Ehe oft undenkbar. Viele Paare trennten sich, weil die Kluft der unterschiedlichen Konfessionszugehörigkeit unüberbrückbar schien. Kennen Sie noch solche Fälle aus Ihrer seelsorglichen Praxis?
Assenmacher: Da kann ich schon vor 1976/77, als ich zum Diakon und Priester geweiht wurde, zurückgehen. In meiner Familie gab es "alles": die Frau eines meiner Vettern, die um diesen Mann zu heiraten, katholisch wurde und anderen in der Familie gerade darin aus Überzeugung Vorbild war und ist; dann der Mann einer Tante, der den "gewendeten Rock" kategorisch ablehnte, aber, vielleicht weil er selbst "religiös unmusikalisch" war, seine ganze Familie vom Glauben entfernte. Schließlich der Mann einer meiner Cousinen, der selbstverständlich seine Frau zur heiligen Messe begleitete, aber auch in seiner Konfession beheimatet und praktizierend blieb. Als er starb, habe ich ihn auf seinen eigenen Wunsch und mit Erlaubnis des zuständigen Presbyteriums katholisch beerdigt. Den Wunsch nach dem Kommunionempfang in einer anderen Konfession habe ich in diesem Kontext meiner Familie nie gehört – vielleicht, weil sich auf ihre Weise keine dieser Personen ausgeschlossen fühlte.
DOMRADIO.DE: Die Bischöfe erachten den "geistlichen Hunger nach dem gemeinsamen Kommunionempfang" als drängend im Sinne eines "schwerwiegenden Bedürfnisses" und setzen dieses in Relation zu einer möglichen Gefährdung der Ehe…
Assenmacher: Diese Situation eines "ungestillten geistlichen Hungers", der zu einer Gefährdung der Ehe geworden wäre, ist mir in meiner begrenzten Tätigkeit in der Pfarrseelsorge sehr, sehr selten begegnet. Ich war in den drei Jahren, in denen ich von 1977 bis 1980 Kaplan und Religionslehrer an einem Gymnasium war, aber sehr davon erschüttert, dass die liebenswürdigen jungen Menschen, mit denen ich da zu tun hatte, auf die Frage, was ihnen die Konfession von Freund/Freundin bzw. Braut/Bräutigam bedeute, fast durchweg sagten: "Das ist das Letzte, was mich interessiert."
DOMRADIO.DE: Ähnlich wie bei dem Nachsynodalen Schreiben "Amoris laetitia", das die Gewissensprüfung wiederverheiratet Geschiedener beim Kommunionempfang zum Thema macht, geht es auch hier wieder um eine mit dem zuständigen Pfarrer entwickelte Gewissensentscheidung.
Assenmacher: Und ähnlich wie bei "Amoris laetitia" wird das Echo auf diese Verlautbarung vermutlich weitgehend plakativ sein. Viele werden sich, wenn dieses Thema überhaupt ihre Aufmerksamkeit findet, weder für die Differenzierungen noch für die fundamentalen Glaubensfragen ernsthaft interessieren.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti.