Bei Barrierefreiheit gehe es nach den Worten von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) "nicht alleine um Rampen und Rollstühle", erklärte er am Freitag in Düsseldorf auf einer Tagung der Ärztekammer Nordrhein, die sich mit einer aktuellen Studie zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit geistiger Behinderung beschäftigte.
Bei der medizinischen Behandlung geistig Behinderter sehe er gegenwärtig "den größten Handlungsbedarf" darin, bei den Therapeuten Vorurteile abzubauen und Einfühlungsvermögen zu stärken, sagte Laumann. Die Patienten litten laut der Studie unter starken Ängsten und einem anderen Schmerzempfinden. Sie könnten ihre Schmerzen oft nicht gut kommunizieren und einordnen. Hier sei eine engere Interaktion zwischen Medizinern und Bezugspersonen notwendig.
Angemessene Vorsorge betreiben
Von den Menschen mit geistiger Behinderung im Alter von 55 Jahren nehmen laut Laumann nur ein Drittel eine Darmspiegelung als Vorsorgeuntersuchung in Anspruch. Im Bevölkerungsschnitt liege der Anteil bei diesen Untersuchungen in dieser Altersgruppe dagegen bei über 50 Prozent. Die Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass es Menschen mit geistigen Einschränkungen schwerer falle, die Unannehmlichkeiten und Schmerzen invasiver Untersuchungen hinzunehmen. Dagegen nähmen sie nicht invasive Vorsorgeuntersuchungen "überdurchschnittlich gewissenhaft" wahr.
Keine eindeutige Erklärung liefert die Studie laut Laumann dafür, weshalb Karies und fehlende Zähne bei geistig Behinderten häufiger vorkämen als in der Allgemeinbevölkerung. Da halbjährliche Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt von dieser Patientengruppe häufiger wahrgenommen würden als von der Allgemeinbevölkerung, spreche vieles dafür, dass geistig Behinderte eine einfühlsamere Unterstützung bei der Mundhygiene brauchten. Hier würden "im Alltagsgeschäft offenbar Dinge übersehen, die nicht übersehen werden dürften".
Geistig Behinderte seien massiv auf die Hilfe ihrer Angehörigen und Betreuer angewiesen, sagte der Minister. Entsprechend eng müsse dieses Umfeld in die medizinische Versorgung eingebunden werden. In Nordrhein-Westfalen leben nach den Schätzungen des Gesundheitsministeriums gegenwärtig etwa 70.000 Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Nur selten reguläre Beschäftigung
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt finden schwerbehinderte Menschen trotz der guten Konjunktur offenbar noch immer selten einen regulären Job. Von den schwerbehinderten Erwerbslosen, die im vergangenen Jahr nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchten, habe nur jeder sechste eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden, berichtet die Saarbrücker Zeitung (Samstag) unter Berufung auf eine aktuelle Datenübersicht der Bundesagentur für Arbeit. In der Vergleichsgruppe der Arbeitslosen ohne Behinderung sei dies gut jedem vierten gelungen.
Lediglich 16,6 Prozent der Schwerbehinderten, die nicht mehr als arbeitslos registriert waren, fanden den Angaben zufolge im vergangenen Jahr eine reguläre Anstellung. Die anderen seien zumeist deshalb aus der Statistik gefallen, weil sie sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befanden, oder ihnen eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde, hieß es.
Unter den Arbeitslosen ohne gesundheitliche Einschränkungen, die 2017 aus der Statistik der Bundesagentur abgingen, sei in rund 28 Prozent aller Fälle eine reguläre Arbeitsaufnahme der Grund für die Beendigung der Arbeitslosigkeit gewesen, heißt es in der Datenübersicht, die die Linkspartei angefordert hatte.
Firmen zahlen lieber Ausgleichsabgaben
Den Angaben zufolge beschäftigen Unternehmen weniger behinderte Arbeitnehmer als sie nach gesetzlichen Bestimmungen müssten. Demnach sollen in Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen wenigstens fünf Prozent der Stellen für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung stehen. Laut Bundesagentur für Arbeit betrug die Quote im Berichtsjahr 2015 insgesamt nur 4,7 Prozent. Die private Wirtschaft kam lediglich auf 4,1 Prozent.