DOMRADIO.DE: Schon bei der Lehmann-Wahl war es so, dass er sich durch seine Qualitäten als Theologe und als Vermittler zwischen verschiedenen Positionen herauskristallisiert und auch herausgestellt hat. Was für eine Art Kirchenmann verliert Deutschland jetzt?
Prof. Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ZdK): Deutschland verliert einen der ganz wichtigen Impulsgeber und einen Mann, der ganz wesentlich für die Verwirklichung des Konzils in Deutschland steht.
Das heißt: die Vorbereitung der Würzburger Synode, die Durchführung der Würzburger Synode und dann all die Dinge, die mit den Begriffen Communio, Kirche auf dem Weg und auch christliches Leben als Dienst gekennzeichnet sind.
DOMRADIO.DE: Jetzt gab es aber mit der Haltung von Kardinal Lehmann auch immer mal wieder Konflikte mit anderen kirchlichen Stellen.
Beispielsweise hat er sich auch dafür eingesetzt, dass die Kirche aktiv bei der schwangeren Konfliktberatung bleibt. Wie haben sie die Zusammenarbeit im ZdK mit ihm erlebt?
Sternberg: Man muss daran erinnern: Kardinal Lehmann war einer von uns. Er war sehr lange im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und er war übrigens in der Würzburger Synode nicht etwas als Bischof oder Professor, sondern er war dort als Mitglied des ZdK.
Er hat dafür gesorgt, dass in diesem Land das Zusammenwirken von Laien und Bischöfen gedeihlich vonstatten ging. Er hat vor allen Dingen geholfen, gelegentlich schwierige Entscheidungen aus Rom abzufangen und abzufedern, so zum Beispiel die Formulierungen in der Enzyklika Humanae Vitae von Paul VI. 1968, wo er mit dafür gesorgt hat, dass mit der Königsteiner Erklärung eine Erklärung gemacht wurde, die eine offene Revolte so gerade noch verhindert hat.
DOMRADIO.DE: Wie hat er denn dann auch das Bild der Kirche hinaus in die Welt geprägt?
Sternberg: Karl Lehmann war einerseits ein ungemein gebildeter, sehr intellektueller Mann, ein Wissenschaftler ganz hoher Graden, mit einer hohen Anerkennung, aber er war auch ein guter, sehr qualifizierter Politiker, und vor allen Dingen ein ausgesprochen liebenswürdiger Mensch, der ein phänomenales Personengedächtnis hatte.
Er konnte treffen, wen er wollte, er sprach die Leute mit Namen an und war in seiner freundlich gewinnenden Art eigentlich überall ein sehr gern gesehener Gesprächspartner.
DOMRADIO.DE: Er galt nicht umsonst auch als Vertreter der Reformer in der Kirche. Was bleibt von seinem Wirken?
Sternberg: Ich glaube schon, dass von seinem Wirken hier eine katholische Kirche in Deutschland bleibt, die zu Unrecht als eine Kirche dargestellt wird, die keine Impulse mehr setzen könnte.
Wir haben aber auch eine sehr lebendige, spirituelle und gläubige Kirche in Deutschland. Das ist nicht nur alles Apparat, wie man das gelegentlich darstellt. Kardinal Lehmann ist da jemand gewesen, der auch eine Debattenkultur etabliert hat, die beispielgebend und fortwirkt ist.
Das Gespräch führte Christoph Paul Hartmann.