Es ist Sonntagnachmittag, Punkt 14.30 Uhr, als die tiefste Glocke des Mainzer Domes zu läuten beginnt. 30 Minuten lang hält das von der monumentalen Kathedrale ausgehende Totengeläut der Martinus-Glocke an.
Der Grund: Kardinal Karl Lehmann war am frühen Sonntagmorgen gegen 4.45 Uhr im Alter von 81 Jahren gestorben – in Mainz, in seinem angestammten Bischofshaus, nahe dem Dom.
Fast 33 Jahre lang, von Oktober 1983 bis zum Rücktritt an seinem 80. Geburtstag am 16. Mai 2016, war Lehmann Bischof von Mainz. Mehr als 20 Jahre, von 1987 bis 2008, leitete er die Bischofskonferenz – und wurde zur prägenden Gestalt der katholischen Kirche in Deutschland, und weit darüber hinaus.
"Unser Karl"
"Mit Kardinal Karl Lehmann verlieren wir wirklich eine große Persönlichkeit, einen großen liebenswerten Menschen", sagte der Nachfolger Lehmanns, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, am Sonntag in einer sehr persönlichen Erklärung vor Journalisten. "Liebevoll nennen ihn die Gläubigen der Diözese Mainz 'unseren Karl'." Viele Menschen trauerten nun, so Kohlgraf.
Für unzählige Menschen scheint Karl Lehmann tatsächlich weit mehr als ein langjähriger Bischof und Kardinal gewesen zu sein. "Das war ein lieber Mensch, ganz sympathisch", sagt Helga Schneider, die am Sonntag im Mainzer Hauptbahnhof einkaufen geht. Sie sei zwar evangelische Christin, aber Lehmann habe "viel für uns getan", sagt die 63-Jährige.
Ein 46-jähriger Mainzer fügt spontan hinzu: "Das war ein super Mann, belebend, menschlich, weltoffen, mit einer klaren Art. Und er hatte seinen Witz." Nach kurzem Nachdenken fügt er hinzu: "Wenn alle so wären, würde die katholische Kirche mehr Zuspruch erfahren!"
"Ganz feiner, guter Christ"
Eine solche Einschätzung hört man öfter an diesem Sonntag in Mainz. Auch von der Frankfurterin Ursula Ackermann (77), die mit ihrer Schwester in den Dom gekommen ist. Lehmann sei "ein ganz feiner, guter Christ gewesen", zudem "sehr humorvoll, tiefgründig und bodenständig".
Und auch Ute Ahrens (76), die in der evangelischen Mainzer Johanniskirche engagiert ist und gerade am Dom vorbeikommt, sagt, sie habe "wunderbare Erinnerungen an ihn". Lehmann sei aufgeschlossen, sehr klug und freundlich gewesen.
Und Elvira Heukrodt (62), die seit einigen Jahren "Domaufsicht" ist, und Lehmann zu seinem 80. Geburtstag noch persönlich gratulieren durfte, sagt: "Er hat das gepredigt, was er gedacht hat. Und das hat man hinterher auch behalten."
Am "Freudensonntag" gestorben
Um 15.00 Uhr begann im Mainzer Dom die "Totenvesper" für den verstorbenen Kardinal. Dutzende Stimmen des Mainzer Knaben-Domchores sorgten mit ihrem fast sphärischen Klang dafür, dass sich gar keine Niedergeschlagenheit unter den rund 800 Gläubigen ausbreiten konnte, sondern "etwas Erhabenes" Raum griff, wie es eine Teilnehmerin beschrieb.
Als Bischof Kohlgraf zuvor von Journalisten darauf angesprochen wurde, dass der 11. März 2018 in der Kirche auch als "Freudensonntag" gelte, sagte er, dass trotz der Traurigkeit über den Tod des Kardinals ebenso "eine christliche hoffnungsvolle Freude" vorhanden sei. Lehmann sei "gut vorbereitet und in innerem Frieden gegangen".
Aufbahrung vor dem Begräbnis
Am 21. März wird Lehmann in der Bischofsgruft des Mainzer Doms beigesetzt werden. Ab Dienstag soll der Verstorbene in der Mainzer Seminarkirche aufgebahrt werden, zunächst im offenen Sarg, wie zu hören ist.
Trauernde können dann Abschied nehmen und sich in ein Kondolenzbuch eintragen. Der Sarg Lehmanns soll dann am 21. März in einem Trauerzug durch die Mainzer Innenstadt zum Dom überführt werden.
Lehmann hat neben seinem persönlichen auch ein "geistliches Testament hinterlassen", wie Kohlgraf sagte. Über dessen Inhalt könne er im Moment noch nichts sagen.
Dies werde er erst bei der Beisetzung Lehmanns tun. Eines prognostizierte der Mainzer Bischof aber schon jetzt: "Vieles von dem, was er gesät hat, wird auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Frucht tragen."