Caritas: Politik muss Möglichkeiten für mehr Wohnraum schaffen

Große Wohnungsnot in Köln

Die Wohnungsnot in Städten ist enorm. Deshalb hat die Caritas das Problem zur Jahreskampagne 2018 erklärt: "Jeder Mensch braucht ein Zuhause". Der Kölner Caritasverband hat beim Frühjahrsempfang die Stadt Köln zum Handeln aufgerufen. 

Suchanzeige für eine "bezahlbare Wohnung" / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Suchanzeige für eine "bezahlbare Wohnung" / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es scheint, als ob jeder auf der Suche nach einer Wohnung ist, aber kaum jemand findet auch etwas Bezahlbares. Ist das eine subjektive Wahrnehmung oder auch durch objektive Zahlen belegbar?   

Peter Krücker (Vorstandssprecher des Caritasverbandes der Stadt Köln): Das ist eine objektive Situation. Wir haben objektiv eine Wohnungsnot in Köln. Der Mieterverein hat es auch errechnet, es fehlen in Köln 66.000 Wohnungen auf dem Markt und diese Wohnungsknappheit führt dazu, dass Wohnungen immer teurer werden, dass die Mieten steigen, dass es teurer wird, Wohnungen zu kaufen und dass damit die Problematik der Wohnungslosigkeit in der Kölner Gesellschaft schon lange im Mittelstand angekommen ist. 

DOMRADIO.DE: Wenn es beim Mittelstand so ist, kann man sich gut vorstellen, dass es beim sozialen Wohnungsbau vermutlich kein bisschen besser aussieht, oder? 

Krücker: Nein, im sozialen Wohnungsbau haben wir zwei Probleme. Zum einen gibt es einen ganz hohen Anteil an Menschen, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. 49 Prozent der Kölner Bürger, also jeder Zweite in Köln hat Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Das ist der eine Effekt. Der andere ist, dass viele Sozialwohnungen aus der Bindung herausfallen, aus ihrer sozialen Bindung und damit dann frei vermietet werden können. Das können sie dann auch mit entsprechend hohen Mieten. In Köln werden zwischen 2022 und 2026 alleine aus der Sozialbindung 10.000 Wohnungen herausfallen. Neue Sozialwohnungen werden aber derzeit nur in einem extrem geringen Maße gebaut. 

DOMRADIO.DE: Hat die Wohnungsnot auch etwas damit zu tun, dass anscheinend fast alle in die Großstädte wollen? Vom Land weg? Und das, obwohl es in den Großstädten kaum etwas Bezahlbares gibt?

Krücker: Das ist ein Effekt, der nicht nur in Köln so ist. Es handelt sich um einen globalen Effekt. Der eine globale Megatrend ist, dass Menschen in Metropolregionen ziehen. Es gibt aber noch einen zweiten Effekt, der dann auf dem Land entsteht. Die Wohnbedingungen auf dem Land werden immer schlechter, auch die Infrastruktur, es gibt keine Läden mehr, keine Busverbindungen, es gibt kein vernünftiges Internet auf dem Land. Das bringt Leute dazu, in die Städte zu ziehen und das wiederum verschärft die Probleme in den Städten, weil immer mehr Leute auf den Wohnungsmarkt drängen.

Es verschärft aber auch die Probleme auf dem Land, weil auch die Menschen, die gerne auf dem Land wohnen, in die Städte getrieben werden. Und hier ist der Bund unbedingt gefordert, eine Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen in Städten und ländlichen Regionen aufrecht zu erhalten und wieder neu anzupacken und zu schaffen.

DOMRADIO.DE: "Jeder Mensch braucht ein Zuhause", so lautet das Motto der Caritas Jahreskampagne 2018. Aber wie soll das funktionieren? Wo soll der Wohnraum, gerade in Städten wie Köln, hergenommen werden?

Krücker: Es wird immer behauptet, in Köln gäbe es keine Grundstücke, das ist aber falsch. Wenn man sich das genau anschaut, ist Köln eine deutlich weniger verdichtete Stadt als es andere Großstädte in Deutschland sind. Das heißt, es gibt durchaus Grundstücke in Köln, aber diese Grundstücke sind nicht baureif. Das heißt, sie dürfen nicht bebaut werden.

Der erste Schritt wäre, durch eine Änderung vom Flächennutzungsplan, Flächen baureif und damit zu Bauland zu machen. Eine Flächennutzungsplanänderung in der Stadt Köln dauert aber ungefähr drei Jahre. Das sind ganz träge Abläufe in der Verwaltung und die Verwaltung, die Stadt, ist im Moment nicht besonders motiviert, daran etwas zu ändern und wirklich in einem verstärkten Maße Ackerland - was es in Köln wirklich ausreichend gibt - zu Bauland zu machen und damit auch Platz für neue Wohnungen zu schaffen.

DOMRADIO.DE: Was macht die Caritas, um den Menschen, die ein Zuhause suchen und brauchen, zu helfen?

Krücker: Wir unterstützen natürlich in erster Linie unsere besonderen Zielgruppen, die Menschen, die ganz besonders hart von der Wohnungsnot betroffen sind. Das sind Wohnungslose, Menschen, die auf der Straße sind, Obdachlose, denen wir Möglichkeiten verschaffen, irgendwie in dieser Stadt auch obdachlos zu leben und zu überleben. Dann sind es natürlich auch Menschen mit Behinderung, Menschen mit psychischen Erkrankungen und so weiter, die auf diesem Kölner Wohnungsmarkt überhaupt keine Chance haben. Diese Menschen unterstützen wir.

Hier sind wir in Verbindung mit Wohnungsbau-Gesellschaften, dass spezifisch Wohnraum auch für diese Menschen zur Verfügung gestellt wird. Den mieten wir zum Teil selber an und vermieten ihn dann weiter an diese besonderen Zielgruppen, damit die Obdachlosigkeit auf der Straße in Köln nicht überhand nimmt. 

DOMRADIO.DE: Welchen Appell richten Sie an die neue Bundesregierung? Wie kann die Politik da steuernd einwirken?

Krücker: Den einen Punkt habe ich schon ausgeführt. Die Lebensverhältnisse von Stadt und Land müssen gut im Blick und ländliche Regionen müssen als lebenswert erhalten bleiben. Ein zweiter Punkt ist die Erhöhung und Aktualisierung des Wohngeldes. Das Wohngeld ist ein bundespolitisches Instrument, um gerade einkommensschwachen Familien Unterstützung zu geben, Wohnungen bezahlen zu können. Das ist ein ganz wichtiger Schritt auch auf Bundesebene. Auf der Ebene der Länder liegt die Aufgabe, sozialen Wohnungsbau zu fördern. Da muss geguckt werden, dass wieder mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit Sozialwohnungen entstehen.

Allerdings gibt es auch die Problematik, dass – selbst wenn Mittel zur Verfügung stehen -  keine Grundstücke, oder keine Investoren da sind, die sozialen Wohnungsbau errichten wollen. Es ist ein Meinungsbildungsprozess bei Wohnungsbaugesellschaften, sich wieder zu konzentrieren, sich auf den sozialen Wohnungsbau zu fokussieren. Problematisch sind aber auch die Verwaltungen in Köln, die Stadtverwaltung. Wie lange braucht es, um einen Flächennutzungsplan zu ändern? Wie lange braucht es, um einen Bauantrag zu genehmigen? Hier muss eine ganz neue Dynamik rein. 

Das Gespräch führte Hilde Regeniter. 


Peter Krücker, Vorstandssprecher des Caritasverbands der Stadt Köln / © Viola Kick (DR)
Peter Krücker, Vorstandssprecher des Caritasverbands der Stadt Köln / © Viola Kick ( DR )
Quelle:
DR