Misereor zum Steinmeier-Besuch in Indien

"Religionsfreiheit zum Thema machen"

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier weilt zum Besuch in Indien. Das Land ist geprägt vom Hinduismus. Zunehmend geraten nun Christen dort unter Druck. Das Hilfswerks Misereor hofft, dass Steinmeiers Besuch die Lage verbessert.

Christen in Indien / © Jaipal Singh (dpa)
Christen in Indien / © Jaipal Singh ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die wichtigste Religion in Indien ist der Hinduismus, was heißt das für das Land?

Elisabeth Bially (Mitarbeiterin der Asienabteilung von Misereor): In Indien leben ca. 1,3 Milliarden Menschen und 80 Prozent der Bevölkerung in Indien gehören dem Hinduismus an. Insofern ist diese Religion die dominante Religion in Indien. Sie sprechen ein Thema an, das sich nicht leicht auf den Punkt bringen lässt – man kann und muss aber sagen, dass in Indien das seit Jahrtausenden im Hinduismus verankerte Kastensystem letztendlich immer noch das gesellschaftliche Leben der Menschen prägt. Der Hinduismus hinterlässt somit im Leben der Menschen – vor allen Dingen im Leben der Menschen, die von diesem Kastensystem ausgegrenzt sind, den sogenannten Kastenlosen – große Spuren.

DOMRADIO.DE: Die Christen sind klar in der Minderheit, wie ist ihr Status in der Gesellschaft?

Bially: Wir sprechen von zwei Prozent Christen im Land. Da sieht man das Verhältnis, was die Regionen angeht. Der Status der Christen ist auch nicht leicht auf den Punkt zu bringen. Man erlebt sicherlich alles: von friedlicher Koexistenz der Religionen bis zu verbalen Attacken und gewaltsamen Angriffen. Wir müssen leider feststellen, dass seit Narendra Modi im Jahr 2014 die Regierung übernommen hat, der extremistische Hinduismus sehr stark zunimmt. Die regierende Partei ist eine national-hinduistische Partei und die Dominanz des Hinduismus wird immer mehr spürbar.

DOMRADIO.DE: Äußert sich das auch darin, dass es für Christen immer schwerer wird, ihren Glauben zu leben?

Bially: Ja, das kann es bedeuten. Es fällt schwer, dass zu verallgemeinern und man muss immer genau hingucken. Wir hören immer wieder von gewaltsamen Angriffen zum Beispiel jetzt in jüngster Zeit auf ein katholisches Krankenhaus.

DOMRADIO.DE: Vor ihrer Fastenaktion haben Mitarbeiter von Misereor Indien besucht, was haben die von ihrer Reise mitgenommen?

Bially: Von diesen Reisen nehme ich immer sehr viel mit. Zum einen sind natürlich die Armut und der Unterschied zwischen Arm und Reich augenfällig. Man kann die Augen nicht davor verschließen – immerhin lebt ein Viertel der Armen weltweit in Indien –, dass diese Armut grenzenlos ist.

Auf der anderen Seite erleben wir – und das ist das Positive und Hoffnungsvolle – bei unseren Besuchen mit unseren Partnerorganisationen vor Ort, die die Projekte durchführen, eine unheimliche Begeisterung und ein unheimliches Engagement dafür, an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern. Die Menschen sind willens und haben das Potential, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und an den schwierigen Bedingungen und Lebensumständen etwas für sie Positives zu verändern.

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist so ein Staatsbesuch für die Beziehungen zwischen Indien und Deutschland?

Bially: Ich glaube, Staatsbesuche sind für die Beziehungen zwischen Ländern immer wichtig. Jede Form der Begegnung und des Dialogs kann nur weiterhelfen. Wir wissen, dass der Bundespräsident unter anderem drei Universitäten besuchen und so mit Studierenden ins Gespräch kommen wird. Indien ist ein sehr junges Land, das heißt die Studierenden sind letztendlich auch die Zukunftsgestalter dieses Landes. Der Bundespräsident besucht letztendlich die größte Demokratie der Welt.

Er besucht mit Indien einen internationalen und großen Wirtschaftsplayer und wir hoffen auch, dass er bei seinen Gesprächen mit den politischen Entscheidungsträgern darauf verweist, dass die Staatsform der Demokratie eine echte Errungenschaft ist. Sie ist aber auch mit Pflichten des Staates verbunden und wir würden uns wünschen, dass er mit den politischen Entscheidungsträgern auch zum Beispiel über Religionsfreiheit und Einhaltung der Menschenrechte spricht. Insofern sind mit diesem Besuch von Seiten der indischen Zivilbevölkerung gewisse Hoffnungen verbunden.

Das Interview führte Silvia Ochlast.

 

Bundespräsident Steinmeier besucht Indien / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bundespräsident Steinmeier besucht Indien / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
DR