"Dass der Papst junge Menschen aufruft, etwas zu riskieren, weil sie sonst schnell altern, hat mich beeindruckt", sagt Sandro Bucher. Dabei könnte dem 25-Jährigen aus Winterthur/Schweiz das, was ein Papst sagt, ziemlich egal sein. Bucher ist Atheist, Mitglied diverser Freidenker- und Humanistenverbände. Nun hat er sich für eine Woche nach Rom begeben - in ein Tagungszentrum der Legionäre Christi mitten unter rund 300 meist sehr engagierte Katholiken. Vermittelt über persönliche Kontakte zum Weltjugendtagskomitee der Schweizer Bischofskonferenz wurde Bucher eingeladen, um bei der vatikanischen Vorsynode der Jugend die Gruppe der Nichtglaubenden zu vertreten.
Kirche will niemanden ausschließen
Als "Alibi-Atheist" fühlt er sich nicht. Weder er noch eine ebenfalls eingeladene Muslima aus dem Libanon hätten sich schämen müssen, ihre Meinung zu sagen. "Die jungen Katholiken hier sind sehr offen gegenüber andersdenkenden Menschen", sagt Bucher. Im Grunde lande man oft bei denselben philosophischen und existenziellen Fragen. Besonders prägend sei das Gespräch mit jungen Menschen aus armen Ländern gewesen, von denen etliche auch von Verfolgungen berichtet hätten. Eva Wimmer (20), Erzieherin und Theologiestudentin aus Graz, erlebte die Tage in Rom ähnlich.
Auch sie war angetan von der Art, wie Papst Franziskus die Teilnehmer der Vorsynode am Montag aufforderte, sich zu äußern: freimütig und offen. Junge Menschen würden zu oft von gesellschaftlicher Beteiligung ausgeschlossen und alleingelassen. Die Kirche wolle alle Jugendlichen hören, niemanden ausgeschlossen. Und so sprachen, stritten und verständigten sich während der Jugend-Vorsynode in Rom rund 300 junge Menschen in vier Sprachen und 20 Arbeitsgruppen über ihre Lebenswelten, ihr Verhältnis zu Glaube und Kirche und die Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen.
Thematische Schwerpunkte
Es ging um Arbeitslosigkeit und Menschenhandel, um Demokratie in der Kirche und um Christenverfolgung, um katholische Sexualmoral - zu der es unterschiedliche Meinungen gibt - und um korrupte Staatsgewalt. Auch die Ambivalenz der digitalen Revolution, das Thema Frauen in der Kirche und die Frage nach einer Liturgie, die junge Menschen wirklich anspricht, kamen zur Sprache.
Die Themenbereiche Jugend, Glaube und Lebensentscheidungen mit jeweils fünf Leitfragen wurden von den Organisatoren des Vortreffens und der für Oktober geplanten Bischofssynode vorgegeben. Neben den Delegierten in Rom äußerten sich dazu auch 15.000 registrierte Internetnutzer weltweit über spezielle Facebook-Seiten. Als dieses Forum am Mittwochmittag geschlossen wurde, waren über 40.000 Kommentare eingegangen. Gesichtet und zusammengefasst wurden sie von einem Social-Media-Team in Rom, zu dem auch Briana Santiago aus Austin/USA gehörte.
Selbst aktiv werden
Was Santiago in ihrem Themenbereich besonders auffällt: Quer durch alle Kulturen suchen junge Menschen Begleitung und Orientierung für ihre Entscheidungen. Und: Jeder möchte konstruktiv etwas beisteuern, um die Kirche und die Gesellschaft vor Ort voranzubringen. "Wir wollen nicht nur gehört werden, sondern wollen mit anpacken", fasst Thomas Andonie, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Stimmen seiner Arbeitsgruppe zusammen. Also alles in Butter, alle zufrieden?
Natürlich nicht. Das wäre auch nicht im Sinne des Papstes. Skepsis und Unbehagen bleiben etwa bei der Frage, wie genau die Stimmen der Jugendlichen, ihre konkreten Erfahrungen, in die bischöflichen Beratungen im Oktober einfließen werden. Denn das Abschlussdokument gibt die Stimmen der Jungen eher allgemein wieder, wenn auch teilweise mit deutlichen Ansagen: Uns fehlen echte Vorbilder und Mitwirkung von Frauen in der Kirche. Keine Angst vor Vielfalt! Arbeitet Fehler auf. Kirche, komm raus zu uns auf die Straßen, in Bars und Sportanlagen.
Jugendliche als Hörer bei der Synode
Zu der eigentlichen Synode, die unter dem Leitwort "Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung" steht, werden ausgewählte Jugendliche als Hörer eingeladen, haben aber kein Stimmrecht. Die Forderung, in die Synode genau so viele Jugendliche wie Bischöfe zu schicken, wird sich kirchenrechtlich nicht umsetzen lassen. Aber wenn möglichst viele Teilnehmer der Vorsynode im Herbst noch einmal mit den Teilnehmern der eigentlichen Synode sprechen könnten, wäre schon viel gewonnen, meinen die Vertreter der Jugend. Kardinal Lorenzo Baldisseri, dessen Sekretariat die Bischofssynode organisiert, versprach den jungen Teilnehmern, "sein Bestes zu tun", damit die Kirche transparent, einladend und authentisch sei.
Roland Juchem