Kirchen der französischen Schweiz führen neues Vaterunser ein

Die neue Form der Versuchung

In immer mehr französischsprachigen Ländern ist Gott im Vaterunser nicht mehr derjenige, der zum Bösen verführt. Am Ostersonntag mischt sich nun auch die Westschweiz unter die Reformer. In Deutschland bleibt jedoch alles beim Alten.

Autor/in:
Jan Dirk Herbermann, Julia Lauer, Phillipp Saure
Vaterunser / © Viola Kick (DR)
Vaterunser / © Viola Kick ( DR )

Das Vaterunser hat es in sich, zumal die sechste Bitte des wichtigsten Gebets der Christenheit: "Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen." Um diesen Passus ist eine internationale Kontroverse entbrannt, es geht um nichts Geringeres als das Gottesbild: Ist Gott derjenige, der Menschen in Versuchung führt?

In immer mehr katholischen und protestantischen Kirchen französischsprachiger Staaten wird das Vaterunser neuerdings in einer geänderten Fassung gebetet. Papst Franziskus gab dazu seinen Segen. Die Kirchen der deutschsprachigen Länder und Gebiete halten jedoch an der alten Version fest.

Neue Fassung in der Westschweiz

Unter die Reformer mischen sich nun die Kirchen der französischsprachigen Westschweiz. Die Gemeinden der Romandie werden am Ostermorgen erstmals das neue Vaterunser beten. So haben es die Leitungen der katholischen, reformierten und evangelischen Kirchen Helvetiens beschlossen.

In Frankreich wird das Vaterunser seit dem ersten Advent 2017 in einer geänderten Fassung gebetet. Dort heißt es nun nicht mehr "Unterwirf uns nicht der Versuchung" ("Ne nous soumets pas à la tentation"), sondern "Lass uns nicht in Versuchung geraten" ("Ne nous laisse pas entrer en tentation"). Statt zum Bösen zu verleiten, schützt Gott nun davor. Der Änderung ging ein jahrelanger Prozess der Vorbereitung voraus.

Es war die französische katholische Kirche, die die Neuübersetzung auf den Weg brachte. Nachdem die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung im Vatikan im Juni 2013 ihre Zustimmung zu der neuen Fassung erteilt hatte, sprachen sich die katholischen Bischöfe Frankreichs im März 2017 dafür aus, die Neuübersetzung in öffentlichen Gottesdiensten zur Pflicht zu machen.

Ökumenische Fassung

Die Protestanten stimmten schließlich auf ihrer Synode in Nancy im Mai 2016 dafür, die geänderte Fassung der Katholiken zu übernehmen. Dem Gedanken an die Ökumene komme besonderer Stellenwert zu, weshalb die Synode ihren Gemeinden die neue Fassung der Katholiken empfiehlt. Seit 1966 hatten Katholiken und Protestanten in Frankreich das Vaterunser in einer gemeinsamen "ökumenischen Fassung" gebetet.

Auch Belgiens katholische Kirche änderte den alten französischsprachigen Text des Vaterunsers. Nach einer Entscheidung der frankophonen Bischöfe im dreisprachigen Königreich gilt die neue Version seit Pfingsten 2017.

In Luxemburg mit den Sprachen Luxemburgisch (Lëtzbuergesch), Französisch und Deutsch halte man sich generell an die im jeweiligen Ursprungsland der Sprache gültige Version, teilt Roger Nilles vom luxemburgischen Erzbistum mit. "Natürlich übernimmt Luxemburg dieselbe neue Version des Vaterunsers, die für die französischsprachigen Diözesen gilt." Sie soll in der jetzt beginnenden Osterzeit eingeführt werden. Die luxemburgische und die deutsche Version bleiben Nilles zufolge zunächst wie gehabt.

Für die französischsprachigen Katholiken in Kanada spielt die Veränderung beim Vaterunser noch keine Rolle. Im jüngsten Papier der Kanadischen Konferenz der katholischen Bischöfe heißt es, der neue französische Text habe keine "sofortigen" Konsequenzen für französischsprachige Messen. Eine Änderung sei jedoch für die nähere Zukunft zu erwarten.

Vaterunser in Deutschland

In Deutschland halten Protestanten wie Katholiken an der gängigen Fassung fest. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verteidigt den Gebetstext in der Form, wie er auch in der Luther-Bibel 2017 enthalten ist. Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz will von einer Neuübersetzung nichts wissen. Dafür spreche auch die konfessions- und länderübergreifende Einheitlichkeit des Gebets.

Jesus selbst soll das Vaterunser seine Jüngern gelehrt haben, auf Aramäisch oder auf Hebräisch. Der genaue Wortlaut lässt sich jedoch nicht rekonstruieren. In den Evangelien des Matthäus (6,9-13) und des Lukas (11,4) ist es im Neuen Testament überliefert.


Quelle:
epd
Mehr zum Thema