Ende Februar deutete der Sekretär des Kardinalsrates, Bischof Marcello Semeraro, ein neues Papstschreiben an. Wenige Tage später bestätigte Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, Sprecher des K9-Rates und Vertrauter des Papstes, der Papst bereite "ein wunderbares Dokument über Heiligkeit vor. Wir alle sind zur Heiligkeit berufen".
Das könnte dann schon die Hauptaussage des Schreibens sein, das am Montag erscheinen wird. Es werde eine "Exhortation" wie "Evangelii gaudium" und "Amoris laetitia", aber wohl nicht so lang wie diese, mutmaßt Andrea Tornielli vom Webportal "Vatican Insider".
Unterschiedlicher Gebrauch der Wörter
Franziskus wollte das Dokument am 19. März unterschreiben, dem fünften Jahrestag seiner Amtseinführung. Danach folgten die Übersetzungen in verschiedene Sprachen. Die Entstehung eines solchen Schreibens ist komplex. Vor allem der jetzige Papst lässt sich dafür auch von außerhalb des Vatikan zuarbeiten, gibt Anregungen und Entwürfe in die Glaubenskongregation und andere Kurienbehörden. Was er aufgreift und was nicht, liegt bei ihm.
Das Problem mit Heiligen und Heiligkeit ist der unterschiedliche Gebrauch dieser Wörter. Oft denkt man an historische Persönlichkeiten wie Franz von Assisi und Katharina von Siena oder aktuelle wie Johannes Paul II. und Mutter Teresa. Sie ragen heraus aus der Menge normalsterblicher Christen. Da werden Heilige leicht mit Superchristen verwechselt. Zu einem solchen aber will sich niemand aufschwingen - weil man nicht eingebildet erscheinen oder sich nicht überfordern will.
Dabei geht es bei Heiligkeit nicht um Leistung, sondern um die Freundschaft und um das Bekenntnis zu Gott. Das schwingt beim Apostel Paulus mit, wenn er grundsätzlich jeden Christen als Heiligen anspricht: "An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen", beginnt er seinen Römerbrief.
Heiligkeit ist kein Privileg
"Heilig zu sein ist kein Privileg für wenige", sagte Papst Franziskus zu Allerheiligen 2013; "wir alle haben mit der Taufe das Erbe, heilig werden zu können." Auch könne man Heiligkeit weder kaufen noch verschenken, so Franziskus in einer seiner Morgepredigten. Vielmehr sei sie ein Weg der Nachfolge Jesu - und den müsse jeder selbst gehen. Dazu müsse man nur auf Jesus Christus schauen, fordert der Papst immer wieder: "Er lehrt uns, heilig zu werden."
Zu Heiligkeit gehörten vor allem Freude und die Bereitschaft, sich selbst klein zu machen und um Vergebung zu bitten. Wenn Franziskus zu Heiligkeit ermahnt, könnte das auch ein Aufruf zu mehr christlicher Lebensfreude sein - einer Freude, die sich aus Gott speist und dem Nächsten zufließt.
Wollte man solche Heiligkeit in Form eines Heiligenbildchens nachzeichnen, so zeigte dies jemanden, der den Blick zum Himmel - sprich: auf Jesus Christus - gerichtet hat; und der, statt andächtig manikürte Hände zu falten, kräftig zupackt und sich auch schmutzig macht, um einem Menschen am Boden unter die Arme zu greifen. Das Manko eines solchen Bildes: Ebenso fordert Franziskus zum Gebet auf - auch mit gefalteten Händen.
Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils
"Wir dürfen nicht meinen, dass es leichter sei, Verbrecher zu sein als Heilige. Nein. Man kann heilig sein, weil der Herr uns hilft", so Franziskus bei einer Generalaudienz im Juni 2017. Gottes ersten Anstoß und Hilfe dazu nennt die Kirche Gnade. Sie gilt allen, die glauben. Daher hängt Heiligkeit auch von keiner Weihe ab.
Priesterliche Vollmacht gehöre auf die "Ebene der Funktion und nicht (...) der Würde und der Heiligkeit", zitiert Franziskus in "Evangelii gaudium" (EG 104) seinen Vorvorgänger Johannes Paul II.
Grundlage für beide sind die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), vor allem in der sogenannten Kirchenkonstitution "Lumen Gentium" (LG). "Alle Christgläubigen sind in allen Verhältnissen und in jedem Stand je auf ihrem Wege vom Herrn berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit." Diese Aussage auf Franziskus' Art markant ausgeführt - das dürfte den Leser im nächsten Papstschreiben erwarten.