Weihbischof aus Münster über die "Warum"-Frage nach Attentaten

"Warum Gott hast Du mich verlassen?"

Nach der Amokfahrt in Münster stellt sich bei vielen die Frage nach dem "Warum". Einer, der diese Frage gerade oft gehört hat, ist Weihbischof Stefan Zekorn aus dem Bistum Münster. Er erklärt, wie er darauf antwortet.

Trauer nach Amokfahrt in Münster / © Ina Fassbender (dpa)
Trauer nach Amokfahrt in Münster / © Ina Fassbender ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Gedenkgottesdienst sollte ein Angebot für alle sein, die sich angesprochen fühlten und den Menschen in Münster und Umgebung  "Raum geben für Bitten, Zweifel und Hoffnung" - über allem hängt immer die Frage nach dem "Warum". Wie beantworten Sie die Frage? 

Weihbischof Stefan Zekorn (Bistum Münster): In seiner Predigt hat Bischof Felix Genn sehr eindrucksvoll davon gesprochen, dass wir uns in diesem Gottesdienst auch getroffen haben, um einen Raum zu bieten, die Frage nach dem "Warum" zu teilen.

Das ist eine Frage, die sich nicht einfach beantworten lässt. Aber wenn wir gemeinschaftlich die Frage teilen und mit demjenigen teilen, der die Frage selber am Kreuz gestellt hat, dann ist die Frage nicht weg, aber sie lässt sich anders aushalten.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das denn für uns, dass Jesus diese Frage gestellt hat?

Weihbischof Stefan Zekorn: Die Evangelisten berichten ja sogar davon, er habe sie herausgeschrien. "Warum Gott hast Du mich verlassen?" Gott selbst ist ja in diese Frage hinabgestiegen und hat sie mit uns geteilt. Deshalb gibt es keine letzte Antwort auf die Frage. Aber sie mit Gott selbst auszuhalten und zu wissen, dass wir auch in dieser Frage und im Aushalten dieser Frage bei ihm geborgen sind, das ist eine großartige Dimension unseres Glaubens. 

DOMRADIO.DE: Sind nach dem Gottesdienst noch viele Menschen zu Ihnen gekommen, die Fragen hatten oder einfach das persönliche Gespräch gesucht haben?

Weihbischof Stefan Zekorn: Es hat unter den Teilnehmenden ganz viele persönliche Gespräche gegeben – auch mit mir. Aber ich möchte ausdrücklich sagen: Ich habe es so erlebt, dass wirklich viele der Teilnehmenden selber miteinander ins Gespräch gekommen sind.

Das fand ich großartig zu erleben. Betroffene, Angehörige oder die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Restaurants, an dem es passiert ist, waren da, aber auch Helfer, denen man die eigene Last auch anmerken konnte. Sie kamen miteinander ins Gespräch. Ich habe das selten in meiner jahrzehntelangen Seelsorge-Erfahrungen erlebt, dass so offen gesprochen wurde und ich habe erlebt, wie die Menschen darüber nachgedacht haben, was das Leben ausmacht und bedeutet.

DOMRADIO.DE: Die Ermittler haben eine Lebensbeichte gefunden. Er litt unter psychischen Problemen, tötete sich selbst nach der Tat. Wurde im Dom für ihn gebetet?

Weihbischof Stefan Zekorn: Ja, Bischof Felix Genn hat das ausdrücklich gesagt, dass er dazu einlädt, auch für den zu beten, der das Leid verursacht hat. Dass das manchen schwer fällt, das finde ich nachvollziehbar. Gleichzeitig ist es eine Haltung, die wir uns gerade als Christen schenken lassen können. Ich fand es sehr bewegend, dass ich nach dem Gottesdienst mit einer Dame gesprochen habe, an dem Ort des Geschehens. Sie sagte, sie hätte mit einer ganzen Reihe von Menschen gesprochen, die so wie sie auch da waren und die ausdrücklich gesagt hätten, es wäre schön gewesen und sie hätten es wichtig gefunden, dass auch für den, der das Leid verursacht hat, gebetet worden ist. Das zeigt, wie intensiv die Menschen damit umgehen und wie sie versuchen mit der Frage "Warum" mit einer inneren Stellung zu dem Täter fertig zu werden.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR