Gedenkgottesdienst für die Opfer in Münster

"Menschen können hier beieinander sein"

Nach der Todesfahrt wird am Sonntagabend im Münsteraner Dom ein Gedenkgottesdienst gefeiert. Dort können die Trauernden zusammenkommen, weinen und sich gegenseitig Halt geben, so Stadtdechant Jörg Hagemann im DOMRADIO.DE-Interview.

Kerzen am Ort der Auto-Attacke / © Marcel Kusch (dpa)
Kerzen am Ort der Auto-Attacke / © Marcel Kusch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Anschlag hat sich gestern am späten Nachmittag ereignet. Wie haben Sie von davon erfahren – waren Sie vor Ort?

Jörg Hagemann (Münsteraner Pfarrer und Stadtdechant): Ich war nicht vor Ort, aber der Geschäftsführer des Stadtdekanats war ganz nah am Tatort und hat mich umgehend informiert – er sprach davon, dass „Schreckliches passieren würde“. Dann hat sich alles weiter medial verbreitet.

DOMRADIO.DE: Wie ist die Stimmung in der Stadt?

Hagemann: Es gibt eine tiefe Traurigkeit, es gibt aber auch ein ganz intensives Zusammensein, das finde ich in unserer Stadt immer sehr beeindruckend. Gestern Abend haben sich Menschen sowohl am Aasee getroffen, um Kerzen anzuzünden, es sind aber auch Menschen in die Jugendkirche Effata gegangen, die geöffnet geblieben ist. Dort konnten sie Kerzen anzünden, miteinander reden und waren damit nicht alleine.

DOMRADIO.DE: Seelsorge ist ja immer ein Angebot der Kirche. Aber wie sieht das angesichts dieser aktuellen Geschehnisse aus - gibt es ein besonderes Angebot für Angehörige und Bürger?

Hagemann: Wir haben uns sehr kurzfristig gestern Abend überlegt, dass wir heute Abend um 19.30 Uhr im Dom – weil es auch die größte Kirche ist – einen Gedenkgottesdienst feiern wollen. Es wir dein ökumenischer Gottesdienst, zu dem Menschen aller Konfessionen und wie ich höre auch aller Religionen zusammenkommen möchten, um zu bitten, zu trauern, um Raum zu erleben und auch ihren Zweifeln einen Raum zu geben, aber eben auch bei der großen Frage nach dem Warum einen Platz zu haben, dass es das Angebot einer Hoffnung gibt, die wir ja als Christen Ostern auch feiern.

DOMRADIO.DE: Heute Abend wird es einen Gedenkgottesdienst für die Opfer geben – was genau ist da geplant?

Hagemann: Es wird ein wichtiger Teil darin liegen, dass wir Kerzen entzünden. Das wir Kerzen nicht nur von irgendeinem Licht, sondern von der Osterkerze entzünden werde und damit durch viele Menschen, die sich dadurch vielleicht auch gegenseitig Licht schaffen, eine Atmosphäre schaffen, in der dieser Dreiklang aus Bitten, Zweifeln und Hoffen Platz haben kann.

DOMRADIO.DE: Was kann diese Atmosphäre bewirken nach solch einem schrecklichen Ereignis?

Hagemann: Ich bin davon überzeugt, dass diese Atmosphäre ihre Wichtigkeit hat, dass Menschen, die nicht alleine sein wollen, es nicht brauchen. Dass sie andere Menschen erleben, vielleicht auch weinen können, dass sie miteinander um diesen Gottesdienst herum im Gespräch sein können, aber eben auch mit vielen Menschen, die ähnlich betroffen sind, beieinander sein können und vor einem Gott sein können, dem man Zweifel und Fragen entgegenrufen kann.

DOMRADIO.DE: Morgen in einem Monat wird in Münster der Katholikentag stattfinden. Bei solchen Großveranstaltungen schwingt die Angst vor möglichen Anschlägen ja sowieso immer irgendwie mit. Wie ist das jetzt nach der Autoattacke?

Hagemann: Ich gebe zu, dadurch dass ich als Stadtdechant in der Katholikentagsleitung bin, habe ich mitbekommen, wie viel Arbeit geschehen ist, damit ein gutes Sicherheitskonzept da ist. Ich hörte auch, dass schon manches von dem, was für den Katholikentag vorbereitet wurde, auch gestern hilfreich war. Deswegen bin ich sehr hoffnungsvoll, dass wir einen wunderbaren Katholikentag feiern können, der natürlich von vielen Menschen zur Sicherheit geführt wird und unter dem Titel "Suche Frieden" vielleicht auch solche schrecklichen Dinge noch mal in ein anderes Licht rückt.

Das Interview führte Carsten Döpp.


 St.-Paulus-Dom in Münster / ©  Friso Gentsch (dpa)
St.-Paulus-Dom in Münster / © Friso Gentsch ( dpa )
Quelle:
DR