Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat sich erneut in die Debatte um den Kreuzerlass der bayerischen Staatsregierung eingeschaltet. Kreuze im öffentlichen Raum stünden für "die Ausrichtung an den Grundaussagen des christlichen Menschenbildes", erklärte Marx am Mittwoch in München. Zugleich riefen sie die Pflicht in Erinnerung, "im Sinne des Gekreuzigten, im Sinne des christlichen Menschenbildes zu arbeiten". Der Erzbischof von München und Freising äußerte sich bei der Grundsteinlegung für das neue Seminargebäude der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) im Kirchlichen Zentrum in München-Haidhausen.
Das Kreuz solle zum Zeichen dafür gemacht werden, "dass diese Gesellschaft zusammenführt, dass sie integriert und dass sie sich neu vergewissert: Woher kommen wir? Auf welchem Fundament stehen wir?", so der Kardinal. Kreuze im öffentlichen Raum seien deshalb für ihn Grund zur Freude: "Wenn wir dazu einladen, als Kirche und auch als Staat: 'Erinnert euch dieser Grundlagen!', dann ist das eine wunderbare Gelegenheit, sich dieses christlichen Menschenbildes neu zu vergewissern." Die Einladung gehe "an Gläubige und Ungläubige, an Suchende und Fragende".
Es geht nicht um Instrumentalisierung
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer unterstützt den bayerischen Kreuz-Erlass. "Ausdrücklich begrüße ich es, wenn in öffentlichen Einrichtungen sichtbar ein Kreuz angebracht ist", sagte Voderholzer am Dienstag bei der Eröffnung des Wallfahrtsjahres in Habsberg, wie seine Pressestelle am Mittwoch mitteilte. Vom Kreuz gehe Segen aus und niemand müsse davor Angst haben. Es gehe auch nicht darum, es zu instrumentalisieren, sondern ihm in Ehrfurcht zu begegnen.
Die Bayerische Verfassung verweise mit Recht auf das Kreuz als Fundament für das öffentliche Zusammenleben in Freiheit, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit, so der Bischof weiter. "Unser Werteverständnis und der gelebte Glaube begründen diese unsere Gesellschaft in seiner freiheitlichen Grundordnung." Dafür sollten die Gläubigen einstehen.
Aus dem Bistum Mainz und Essen
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf bekräftigte indes seinen Appell vom Montag, in dem er sagte, dass es nicht passe, "das Kreuz zur Bestätigung menschlicher Politik zu machen". Am Dienstag schrieb er auf Facebook, dass nichts gegen ein öffentliches Bekenntnis zum Glaube spreche. "Aber die Begegnung mit den Muslimen und den sogenannten 'Gottlosen' würde ich als Bischof gerne etwas inhaltsreicher ausgestalten", so Kohlgraf, der über zahlreiche Reaktionen auf seine erste Stellungnahme berichtete.
Auch das Bistum Essen kritisierte den Erlass und warnte vor einer Zweckentfremdung von Kreuzen. Söder betone, das Kreuz sei nach seinem Verständnis nicht das Symbol einer Religion, sondern ein "sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der rechts- und Gesellschaftsordnung Bayerns", sagte ein Sprecher von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am Dienstag.
Lob für kirchliche Stellungnahme
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) kritisierte den Beschluss am Mittwoch und lobte zugleich die kritischen kirchlichen Stellungnahmen dazu. Er halte "wenig" von der Entscheidung, in allen bayerischen Behörden Kreuze aufhängen zu lassen, sagte Kubicki der "Augsburger Allgemeinen". Denn der Staat sei per Verfassung zur Neutralität verpflichtet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wolle dieser Verpflichtung ausweichen, "indem er erklärt, das Kreuz habe mit der kulturellen Geschichte Bayerns zu tun. Das ist Unsinn und die Kirche hat auch angemessen darauf reagiert", so Kubicki.
Dagegen kritisierte der Papstbotschafter in Österreich, Erzbischof Peter Stefan Zurbriggen, die Ablehnung des bayerischen Kreuz-Erlasses durch deutsche Bischöfe und Theologen. Der Apostolische Nuntius erklärte, er sei "traurig und beschämt" und es sei eine "Schande", dass ausgerechnet Bischöfe und Priester Kritik übten, wenn Kreuze errichtet würden. Er habe auch kein Verständnis für das Abhängen von Kreuzen, beispielsweise an Hochschulen: Diese religiöse Korrektheit gehe ihm "langsam auf den Nerv", sagte er bereits am Montag bei einer Veranstaltung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz in Österreich. Ein Video der Aussage wurde am Dienstagabend im Internet veröffentlicht.
Beschämend sei etwas anderes...
Zurbriggen nannte es in diesem Zusammenhang beschämend, wenn jemand sich als Pilger im Heiligen Land aus welchen Gründen auch immer dagegen entscheide, ein Kreuz zu tragen. Damit bezog er sich - ohne sie zu nennen - offenbar auf Kardinal Reinhard Marx und den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm. Diese hatten 2016 bei einem Besuch des muslimisch kontrollierten Jerusalemer Tempelbergs ihre Brustkreuze abgenommen, um die dortigen Spannungen zwischen Juden, Muslimen und Christen nicht weiter anzuheizen. Kritiker deuteten dies als eine Geste der Unterwerfung.
Die evangelische Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler erklärte, sie sei erfreut über "Kreuze am Wegesrand und in öffentlichen Gebäuden". Denn das Kreuz sei ein "inklusives Symbol", sagte sie in Ettal. Es erinnere an einen "Gott, der in die tiefsten Abgründe steigt, um den Menschen nahe zu sein". Jesu Kreuz lehre Demut und Bescheidenheit. Sie freue sich darum, "wenn politisch Verantwortliche sich bewusst unter das Kreuz stellen".