DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie denn die Stimmung in London vor der Hochzeit?
Pfarrer Andreas Blum (Deutschsprachige katholische Gemeinde Sankt Bonifatius in London): Es gibt schon eine große Spannung. Es gibt Sondersendungen, es gibt Sonderblätter, die in der Stadt verteilt werden. Es ist geflaggt in der Innenstadt. Man kann der Hochzeit eigentlich nicht entgehen, wenn man einigermaßen mit offenen Augen durch die Stadt geht.
DOMRADIO.DE: Meghan Markle bezeichnet sich ja als protestantisch, war aber – nach allem was man weiß – gar nicht getauft. Jetzt hat sie sich aber taufen lassen. Welchen Stellenwert nehmen denn der Glaube und die Konfession bei der Hochzeit ein?
Blum: Meghan hat sich in einem sehr intimen Prozedere taufen lassen. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen. Es sollte, glaube ich, auf der einen Seite das gute Verhältnis dokumentieren, das das Königshaus zum Erzbischof von Canterbury hat. Zum anderen sollte die Taufe zeigen, dass es auch eine persönliche Entscheidung ist, die nicht nur dem Eintritt in die "Firma" – also in das Königshaus – geschuldet ist.
Der Stellenwert einer Hochzeit in der anglikanischen Kirche ist ja noch mal etwas anders als bei uns. Die Queen ist gleichzeitig Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Insofern spielt der anglikanische Glaube im Königshaus schon eine Rolle, weil die Mitglieder auch immer repräsentativ für die anglikanische Kirche – also für die Church of England – stehen.
DOMRADIO.DE: Und da ist es auch kein Hindernis, dass Meghan schon einmal verheiratet war?
Blum: Die anglikanische Kirche gehört ja mit zu den protestantischen Kirchen, in denen die Trauung kein Sakrament ist wie bei uns in der katholischen Kirche. Insofern gibt es die Eheauflösung und auch die Neuverheiratung. Prinz Charles ist ja auch wiederverheiratet. Das ist in der anglikanischen Kirche nicht das große Problem.
DOMRADIO.DE: Die Hochzeit findet in Saint George's Chapel in Windsor Castle statt und nicht in London in Westminster Abbey. Sind die Londoner nicht enttäuscht?
Blum: "Die Londoner" gibt es ja so gesehen gar nicht mehr. Die Stadtteile sind sehr unterschiedlich. Bei mir im Eastend bekommt man von der königlichen Hochzeit so gut wie gar nichts mit. Hier ist alles muslimisch dominiert. Hier wird gerade Ramadan gefeiert und nicht die Hochzeit. Hier wird auch nicht der Union Jack geflaggt sondern gerade der Schriftzug "Allah" plakatiert, wegen des Ramadan. Hier merkt man von der königlichen Hochzeit so gut wie gar nichts. Da muss man in andere Stadtteile gehen.
Wir werden zum Beispiel am Samstag nach der Vorabendmesse mit der Gemeinde noch etwas weiter östlich – nach Canning Town – gehen. Da finden dann sogenannte Street Partys statt. Das ist etwas wirklich originär Britisches. Man stellt einfach Stühle auf die Straße, es werden Fähnchen aufgehangen. Jeder bringt etwas zu Essen mit. Und dann wird einfach gemeinsam etwas gefeiert.
DOMRADIO.DE: Aber da wird nicht gemeinsam die Hochzeit geguckt?
Blum: Wie das dann manchmal so ist: Der eigentliche Anlass tritt ein wenig in den Hintergrund. Das Gemeinschaftliche und der nachbarschaftliche Klatsch und Tratsch spielen dann auch eine große Rolle. Natürlich wird auf das Königspaar angestoßen und irgendwo wird auch ein Bildschirm laufen. Man wird sich darüber unterhalten, aber es gibt eben auch andere Dinge, die dann im Vordergrund stehen.
Das Interview führte Tobias Fricke.