DOMRADIO.DE: Die 14 neuen Kardinalsernennungen beim "Regina caeli"-Gebet am Pfingstsonntag haben so manchen nicht wirklich überrascht. Warum nicht?
Jan Hendrik Stens (DOMRADIO.DE-Redaktion Theologie): Einmal lag es in der Luft, weil einige Kardinäle in den letzten Monaten das 80. Lebensjahr vollendet haben und somit keine Papstwähler mehr sind. Das Konsistorium – also die Versammlung der Kardinäle – am Hochfest Peter und Paul in Rom ist ein beliebter Termin für die Aufnahme neuer Purpurträger. Demnach haben einige Beobachter jetzt zu Pfingsten mit Neuernennungen gerechnet. Allerdings sind drei der 14 Ernannten schon über 80 und demnach keine Papstwähler. Sie werden vor allem für ihre Verdienste geehrt.
DOMRADIO.DE: Dass es überhaupt Neuernennungen gegeben hat, überrascht also nicht. Überraschen denn die Personen, die demnächst das Kardinalspurpur tragen werden?
Stens: Wir sind von Papst Franziskus ja auch bei den Kardinalsernennungen manche Überraschung gewohnt. Bischofssitze, die traditionell mit dem Kardinalstitel verbunden sind, gehen leer aus. Dafür trifft die Wahl auf manchen Bischof in der Peripherie oder solche, die in ihrer Seelsorge dem Papst sehr nahe stehen. Und so ist es auch jetzt wieder: Der neue Erzbischof von Paris, seit einigen Monaten im Amt, gehört nicht zu den neuen Kardinälen. Auch in Berlin und Venedig geht die kardinallose Zeit erneut in die Verlängerung.
Stattdessen erhalten die Erzbischöfe von Osaka in Japan und Huancayo in Peru das rote Birett. Der Anteil der Kardinäle aus Europa sinkt also erneut, ist aber im Verhältnis zur Anzahl der Katholiken immer noch überdimensional.
DOMRADIO.DE: Das liegt vielleicht auch daran, dass der Vatikan in Europa liegt, wo ja einige Kardinäle in der Kurie arbeiten. Wie sieht es denn hier mit Neuernennungen aus?
Stens: Tatsächlich wurde Franziskus bei seinen letzten Ernennungen vorgeworfen, er übergehe Europa und die Kurie. Das kann man bei den neuen Ernennungen nicht sagen, denn sechs der elf neuen Papstwähler sind Europäer und vier arbeiten in der Kurie. Dazu gehören der neue Präfekt der Glaubenskongregation, Luis Ladaria, und der Generalvikar des Bistums Rom, Angelo De Donatis. Hier ernennt Papst Franziskus also ganz traditionell.
Die Ernennung des Päpstlichen Almosenmeisters Konrad Krajewski ist hingegen typisch für Franziskus und seine Option für die Armen. Eine Überraschung und auch ein deutliches Signal ist die Ernennung von Angelo Becciu aus dem Vatikanischen Staatssekretariat.
DOMRADIO.DE: Der Name von Angelo Becciu fällt ja immer wieder, wenn es um die Finanzen des Vatikans geht oder auch um die Querelen im Malteserorden. Was bedeutet seine Ernennung zum Kardinal?
Stens: Papst Franziskus hat ihn zum Sonderbeauftragten für den Malteserorden ernannt, als dieser durch interne Streitigkeiten in der Krise war. Die Ernennung zum Kardinal könnte als deutliches Signal an den Kardinalpatron des Ordens, Raymond Leo Burke, und dessen Anhänger verstanden werden. Allerdings ist Becciu im Staatssekretariat Kardinal Parolin untergeordnet, was für einen Kardinal eher unüblich ist.
Beobachter vermuten daher, dass Becciu in nicht ferner Zukunft eine andere Aufgabe erhalten wird. In der Finanz- und Wirtschaftsreform des Vatikans spielt er eine wichtige Rolle. Vielleicht macht ihn Franziskus als möglichen Nachfolger für Kardinal Pell startklar. Kardinal Pell muss sich ja in Australien im Missbrauchsskandal verantworten und es ist unsicher, ob er wieder nach Rom zurückkommt und seine Aufgaben als Finanzchef des Vatikans wahrnehmen wird.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.