DOMRADIO.DE: Vom 14. Juni bis zum 15. Juli findet in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Ist man denn als Journalist, wenn man nach Russland zur WM reist, sicher?
Ulrike Gruska (Pressereferentin bei "Reporter ohne Grenzen"): Man muss keine unmittelbare Angst um seine physische Gesundheit haben. Solange man kein schwuler Journalist oder eine lesbische Journalistin ist und das dort offen zeigt, ist man sicher. Einschränkungen für Journalisten ergeben sich auf ganz andere Art und sind eher schwierig zu erkennen. Gesprächspartner werden zum Beispiel massiv eingeschüchtert. Kaum jemand traut sich offen, über die Zustände im Land zu reden.
Aber ansonsten hat ja die russische Regierung nicht generell etwas gegen Journalisten, sondern versteht einfach den Beruf etwas anders als wir hier. Wenn man positiv und gut über die Spiele berichtet, dann bekommt man alle erdenkliche Hilfe. Diejenigen, die tatsächlich nur über die Spiele und das sportliche Drumherum berichten wollen, werden mit Informationen exzellent versorgt.
DOMRADIO.DE: Wenn man positiv berichtet, bekommt man Unterstützung. Doch was passiert, wenn man zum Beispiel über Doping spricht?
Gruska: Der ARD-Journalist Hajo Seppelt, den Sie ja ansprechen, gilt in russischen Regierungskreisen als Staatsfeind Nummer eins, weil er genau das gemacht hat, was Journalisten nach russischer Lesart nicht dürfen. Er hat ganz genau recherchiert, die kritischen Seiten aufgedeckt und hieb- und stichfeste Beweise dafür gesammelt, dass der russische Staat massiv in dieses Doping verwickelt war - was russische Offizielle bis heute leugnen.
DOMRADIO.DE: Außenminister Maas hat sich aktiv für Seppelt eingesetzt, das heißt: Er darf jetzt eventuell nach Russland einreisen. Aber die Frage ist, wird ihm da überhaupt in irgendeiner Form dann ein Interview gegeben?
Gruska: Ich denke, Hajo Seppelt ist ein guter Journalist und kennt die Umgebung dort so gut, dass er auf jeden Fall seine Gesprächspartner finden wird. Das ist nicht das größte Problem.
Das Problem ist eher die Masse vieler anderer Journalisten, die mit weniger Zeit und Vorbereitung dorthin reisen und dann nicht sofort Zugang haben zu jemanden, der ihre Sprache spricht oder weiß, was sie brauchen und ihnen helfen kann. Man wird da leicht mit guten, bunten, modernen, glitzernden Informationen rund um die WM abgespeist, die Russland offiziell anbietet.
Aber das ist ja etwas ganz anderes, als über die tatsächlichen Ereignisse im Land zu berichten. Deswegen arbeiten wir jetzt vor der WM auch sehr stark daran, Journalisten hier aus Deutschland mit Gesprächspartnern vor Ort zusammenzubringen. Es gibt immer noch sehr viele Leute in Russland, die trotz aller Einschränkungen bereit sind, mutig darüber zu sprechen, was im Land passiert.
DOMRADIO.DE: Das heißt: Man muss einfach wissen, an wen man sich wendet. Wenn man das jetzt als Journalist hört und sagt, dass man gerne zur WM nach Russland möchte, kann man sich an Sie wenden?
Gruska: Da sind wir nicht die Wichtigsten, da muss man vor allem diverse formelle Vorgaben erfüllen. Man braucht zum Beispiel, wenn man als Journalist akkreditiert werden möchte, ein Visum. Man wird vorher ganz genau überprüft. Freie Journalisten haben es sehr schwer, wenn sie keine große Redaktion im Rücken haben, die ihnen vorher schon ausstellt, dass sie auf jeden Fall etwas von ihnen abkaufen wird.
Die Berichterstattung wird da eher durch die Bürokratie im Hintergrund beschwert. Reporter ohne Grenzen hilft natürlich mit der Sachkenntnis, die wir vor Ort haben und auch mit den Kontakten, die wir zu zahlreichen Journalisten und Menschenrechts-Verteidigern in allen WM-Städten haben.