Pressefreiheit in Europa zunehmend unter Druck

Medienfeindliche Rhetorik wird hoffähig

In über 70 Ländern hat sich die Lage der Journalisten im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Schlusslicht ist Nordkorea. Aber auch in Demokratien wird die Arbeit für Journalisten schwieriger.

Reporter bei der Arbeit / © Sedat Suna (dpa)
Reporter bei der Arbeit / © Sedat Suna ( dpa )

Der diesjährige Bericht zur Pressefreiheit hat ein ernüchterndes Fazit: "In immer mehr Regierungen demokratisch verfasster Staaten gelten medienfeindliche Rhetorik und Politik als hoffähig", heißt es in der am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Studie von "Reporter ohne Grenzen" (ROG). Darin wird die Situation von Journalisten in 180 Ländern und Territorien analysiert.

Ob unter Donald Trump, Viktor Orban oder Recep Tayyip Erdogan – Berichterstatter haben es zunehmend schwerer, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Das gilt auch für europäische Länder wie Malta, Tschechien, die Slowakei und Serbien. Dort hat die Pressefreiheit 2017 im Vergleich zum Vorjahr die stärksten Rückschläge weltweit erlitten. Malta rutschte von Rang 18 auf Rang 65. Exemplarisch sei der Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia im vergangenen Oktober.

"Die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft"

"Wer gegen unbequeme Journalisten polemisiert oder gar hetzt und die Glaubwürdigkeit der Medien pauschal in Zweifel zieht, zerstört bewusst die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft", mahnte ROG-Vorstandssprecherin Katja Gloger.

Die USA rutschten im ersten Amtsjahr von Präsident Donald Trump um zwei Plätze nach unten und sind nun auf Rang 45. Der US-Präsident diffamiere unliebsame Medien als "lügnerisch" und "Volksfeinde". Das sei "eine Wortwahl, die einst der sowjetische Diktator Josef Stalin verwendete", kritisiert Reporter ohne Grenzen.

Lage verschlechtert

In über 70 Ländern hat sich laut Bericht die Lage der Journalisten im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Schlusslicht ist Nordkorea; davor liegen Eritrea, Turkmenistan, Syrien und China. Syrien bleibt den Angaben zufolge für Journalisten das gefährlichste Land weltweit: 2017 wurden dort 13 Journalisten in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet, derzeit werden mehr als 20 Medienschaffende von bewaffneten Gruppen festgehalten. Eine ähnliche Situation zeige sich im Jemen, wo Journalisten in ständiger Lebensgefahr arbeiteten.

In China werden laut Bericht Zensur und Überwachung unter Staats- und Parteichef Xi Jinping immer umfassender ausgebaut. Um verhaftet zu werden, reiche es mittlerweile, verbotene Inhalte in sozialen Netzwerken oder in privaten Chats zu teilen. Mehr als 50 Medienschaffende – darunter viele Bürgerjournalisten – sitzen demnach wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.

Regierungspropaganda

Auch in der Türkei verschärfte sich die Lage, ungeachtet der Freilassung des "Welt"-Journalisten Deniz Yücel. So sind in dem Land laut Organisation mehr professionelle Journalisten hinter Gittern als in jedem anderen Staat. Dutzende stünden in Massenprozessen vor Gericht und müssten sich "als vermeintliche Mittäter des Putschversuchs von 2016 oder wegen Terrorvorwürfen" verantworten.

Russland verharrt unverändert auf Platz 148. "Die staatlichen Medien verbreiten unablässig Regierungspropaganda, während unabhängige Redaktionen bedrängt und finanziell ausgetrocknet werden", heißt es. Auch ausländische Medien könnten als "ausländische Agenten" gebrandmarkt werden. Mehr als 40 Journalisten und Blogger sind demnach 2017 zu Haftstrafen verurteilt und fünf zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert worden.

Der Bericht verzeichnet aber auch Lichtblicke, wie in Gambia. Dort erlebten die Medien laut ROG mit dem Ende der Diktatur von Yahya Jammeh einen Aufschwung. Private Rundfunksender würden gegründet und die Regierung habe ein neues Mediengesetz in Aussicht gestellt.

Übergriffe, Drohungen und Einschüchterungsversuche

Deutschland konnte sich zwar laut Bericht um einen Platz verbessern und kam auf Rang 15. ROG beklagte aber erneut eine hohe Zahl an Übergriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Medienschaffende. Besonders deutlich sei das bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Juli gewesen.

An der Spitze der Rangliste stehen zwei skandinavische Länder: Norwegen nimmt erneut Platz eins ein, gefolgt von Schweden und den Niederlanden. Finnland hatte vor zwei Jahren noch den ersten Platz inne, rutschte jedoch auf Rang 4 ab. Grund dafür seien Skandale um die redaktionelle Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks YLE und eine umstrittene Durchsuchung bei einer führenden Tageszeitung.


Quelle:
KNA