Laut des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) waren im vergangenen Jahr 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße rief dazu auf, die menschlichen Schicksale hinter der Flüchtlingszahl im Blick zu behalten: "Verhärten wir nicht unsere Herzen, verschließen wir nicht unsere Augen!", sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Weihbischof fordert Menschenwürde im Umgang mit Flüchtlingen
Münsters Weihbischof Stefan Zekorn hat am Weltflüchtlingstag die Wahrung der Menschenwürde im Umgang mit Geflohenen angemahnt. Es fehle vielfach gerade denen gegenüber an Menschlichkeit, die dringend auf sie angewiesen seien, sagte er am Mittwoch in Münster. Dabei verfüge doch das reiche Europa über ausreichende Ressourcen, um sich neben den Hilfsbedürftigen in den eigenen Ländern auch jenen zuzuwenden, die aus Not und unter Lebensgefahr nach Europa fliehen.
"Es ist eine Frage der Verteilung und des Willens", so der Beauftragte des Bistums für die Weltkirche. Die Menschen dürften nicht im Mittelmeer ertrinken oder in unmenschlichen Lagern in Nordafrika unsägliches Leid erfahren, sagte der Weihbischof.
Zekorn kritisierte insbesondere die Zurückweisung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer durch Italien und Malta sowie das Vorgehen der USA gegenüber illegalen Einwohnern, bei dem Eltern von ihren minderjährigen Kindern getrennt werden. Er appellierte an die Christen und alle anderen, die sich der christlichen Prägung Europas verpflichtet fühlten, das Jesus-Wort "Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen" mit Leben zu füllen. In jedem Flüchtling sollten sie das Gesicht Jesu erkenne.
EKD kritisiert Flüchtlingspolitik
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte anlässlich des Weltflüchtlingstags die EU-Flüchtlingspolitik. "In der politischen Debatte gibt es kaum mehr Stimmen, die Schutz für diejenigen fordern, die dort, wo sie zuhause sind, nicht bleiben können", sagte der Migrationsbeauftragte der EKD, Manfred Rekowski. Fluchtursachen müssten bekämpft und eine moderne Einwanderungspolitik eingerichtet werden. Die EU lagere Verantwortung systematisch aus und bezahle andere Staaten dafür, Schutzsuchende von Europa fern zu halten, kritisierte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, sagte: "Die Mehrzahl aller Flüchtlinge flieht vor Kriegen, Gewalt und Verfolgung." Diese Probleme, zu denen auch der Klimawandel gehöre, könne die Entwicklungszusammenarbeit allein nicht lösen. "Sie darf nicht zur Fluchtabwehr genutzt werden", so Dieckmann. "Einzig politische Lösungen werden dazu führen, dass Menschen in ihren Heimatländern bleiben."
Terre des hommes: Mitverantwortung für Flüchtlingsdrama
Das Kinderhilfswerk terres des hommes betonte, dass meist Flüchtlinge in ihrem eigenen Land oder in Nachbarländern Zuflucht fänden, nur die wenigstens kämen bis nach Europa. "Es sollte selbstverständlich sein, dass wir Flüchtlingen, die es bis nach Europa geschafft haben, Zuflucht und Sicherheit bieten", sagte Vorstandssprecher Albert Recknagel. Zudem trügen die reichen Industrieländer und damit auch Deutschland durch Waffenexporte in Kriegs- und Spannungsgebiete eine "Mitverantwortung für das Flüchtlingsdrama".
SOS-Kinderdörfer weltweit forderten die Regierungen auf, Kinder und Jugendliche auf der Flucht und in der Migration besser zu schützen. Die Hilfsorganisation "Help - Hilfe zur Selbsthilfe" machte auf Fluchtursachen-Einsatz vor Ort aufmerksam. "Die Leidensgeschichten entbehren oftmals jeglicher Vorstellungskraft - gerade was die Schicksale von Frauen und Kindern betrifft", schilderte Projektkoordinator für Syrien und Jordanien, Kayu Orellana.
"Eigentliche Flüchtlingskrisen sind anderswo"
Das Hilfswerk Misereor wies auch auf die dramatische Lebenssituation von Flüchtlingen außerhalb von Europa hin. "Wir müssen in Deutschland und Europa den eurozentrischen Blick überwinden und erkennen, dass sich die eigentlichen Flüchtlingskrisen anderswo auf der Welt abspielen", erklärte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.
Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat kritisierte eine Abschottungspolitik der US-Regierung. "Donald Trump mauert statt zu integrieren. Er untergräbt das Menschenrecht auf Asyl statt die Fluchtursachen zu bekämpfen", erklärte Hauptgeschäftsführer Michael Heinz. Sorgenvoll blicke er auf die Zunahme von Flüchtlingsströmen in Lateinamerika, die Situation an der Grenze zwischen den USA und Mexiko sowie den Status der "Dreamer", der Kinder illegaler Einwanderer.
Model Ezmaeli: Ermutigen sich einzubringen
Das Fotomodel Zohre Esmaeli wird neue Botschafterin des Deutschen Roten Kreuzes für kulturelle Vielfalt: "Ich möchte die Erfahrungen aus meinem Leben als Flüchtling in der Gesellschaft nutzen und viele von denen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, dazu ermuntern, sich hier einzubringen."
Das katholische Hilfswerk missio Aachen forderte unterdessen eine tiefer gehende Debatte zu Flucht und Migration. Ohne eine theologische Reflexion bleibe die öffentliche Diskussion oberflächlich, sagte der Präsident des internationalen Missionswerks, Klaus Krämer. Migration sei schon immer untrennbar mit der Geschichte der Menschheit verbunden. Für die Debatte in Deutschland sollte das Potenzial von Religion für die Lösung von Konflikten stärker genutzt werden.
Appell aus dem All
Auch Astronaut Alexander Gerst rief zum Weltflüchtlingstag zur Solidarität mit schutzsuchenden Kindern auf. Der Unicef-Botschafter und die Kinderhilfsorganisation baten zum Start der Aktion "Träume sind grenzenlos", sich seine persönlichen Träume vor Augen zu führen und mit denen von geflüchteten Kindern aus aller Welt zu vergleichen, wie Unicef in Köln am Mittwoch mitteilte.
Gerst, der zur Zeit auf der Internationalen Raumstation ISS ist, erklärte: "Es gibt keinen Menschen, der nicht irgendeinen Traum hat, irgendetwas, was tief in ihm drin ist. Und ich denke auch, dass es wert ist, jedem Traum eine Chance zu geben." Ehrenamtliche Teams werden laut Unicef bei der Aktion in den nächsten Wochen Träume von Menschen auf der Straße und in Sozialen Medien unter #träumesindgrenzenlos sammeln.
Langfristige Lösungen
Das UN-Kinderhilfswerk appellierte an die Regierungen mit Blick auf 30 Millionen Kinder und Jugendliche auf der Flucht vor Konflikten, sie besser zu versorgen und zu schützen sowie langfristige Lösungen zu erarbeiten, um ihr Wohlergehen zu sichern. "In der Fremde - unabhängig davon, ob sie geflüchtet sind, Asylbewerber oder Binnenvertriebene - sind sie häufig großen Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit ausgesetzt", sagte der Leiter der weltweiten Nothilfe-Programme von Unicef, Manuel Fontaine.
Darüber hinaus gebe es große Hürden beim Zugang beispielsweise zu Bildung und Hilfen, die für ihre Entwicklung nötig seien. So besuchen laut Unicef gegenwärtig nur die Hälfte der geflüchteten Mädchen und Jungen eine Grundschule, und weniger als jeder vierte geflüchtete Jugendliche lernt in einer weiterführenden Schule. "Diese Kinder brauchen mehr als einen Erinnerungstag - sie brauchen Hoffnung, Chancen und Schutz", so Fontaine.