Pater Gemmingen lässt Heilige für sich sprechen

"Was sie uns heute sagen würden"

Der Jesuit Eberhard von Gemmingen war schon einiges in seinem Leben: deutsche Stimme von Radio Vatikan, Chefbettler seines Ordens. In seinem neuen Buch leiht er Heiligen seine Stimme - und einem Kindermörder.

Pater Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg SJ (KNA)
Pater Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg SJ / ( KNA )

Nein, für die Kirche interessiert sich Eberhard von Gemmingen nicht mehr so sehr. Auf seine alten Tage treibt den 82-Jährigen anderes um. Nach einem, wie er sagt, "schlechten Theologiestudium" Mitte der 1960er Jahre in Innsbruck und jahrzehntelangem geistlichen "Mitläufertum" hat der Jesuit erst in den letzten Jahren verstärkt begonnen, über Gott nachzudenken.

In Morgenandachten beim Deutschlandfunk, bei Vorträgen und Predigten lässt er ein interessiertes Publikum regelmäßig an seinen Gedanken teilhaben. Für den Verlag Herder ist auf dieser Grundlage ein kleines geistliches Büchlein entstanden: "Wenn wir die Heiligen fragen könnten. Was sie uns heute sagen würden."

Gemmingen leiht sich Autorität von historischen Größen

Wie kann ich anständigen, gebildeten Menschen nahebringen, dass die Frage nach Gott und Jesus Christus wichtig ist, dass letzterer bis heute die wichtigste historische Persönlichkeit für Europa ist - viel wichtiger als andere Geistesgrößen wie Sokrates, Plato oder Kant? Mit dieser Kernbotschaft im Kopf hat sich der langjährige Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan auf die Suche nach einem geeigneten Vehikel gemacht - und sich eines Tricks bedient: Er lieh sich die Autorität von großen Gestalten der Bibel, des Mittelalters, der Renaissance- und Reformationszeit sowie der Moderne.

So hat Gemmingen 28 Personen seine Gedanken in den Mund gelegt. Eine illustre Truppe schickt der Pater da auf den Weg - und mit überraschenden Botschaften für uns Heutige, die ohne theologisches Fachvokabular oder kirchliche Binnensprache auskommen.

Den Auftakt macht der heilige Josef

Zum Auftakt berichtet der heilige Josef von seinem Schicksal als Vater eines "schwierigen Sohnes". Viele Sorgen habe Jesus ihm und Maria gemacht mit seinen "Eskapaden". Die "heilige Familie" eine Idylle? Von wegen! "Jesus hat uns oft verwundert, provoziert, es war oft nicht leicht mit ihm. Aber wir haben uns zusammengerauft, wir haben nicht nach dem Staat gerufen, um unsere Konflikte zu lösen. Wir haben miteinander gerungen und miteinander gebetet", lässt Ghostwriter Gemmingen seinen Josef sagen.

König Herodes schreibt E-Mail

Für König Herodes, als Einziger im Club wohl eher nicht den Lichtgestalten zuzurechnen, entwirft der Autor eine weihnachtliche E-Mail. Darin erinnert der "Kindermörder von Bethlehem" die Adressaten daran, dass es seinerzeit selbstverständlich gewesen sei, unerwünschten Nachwuchs zu entsorgen. "Es war wie das Schlachten von überzähligem Vieh." Doch dieser "Knabe, der mir entgangen ist", habe die Maßstäbe des Menschseins verändert. "Und nun ist Europa dabei, diesen Jesus zu vergessen." Das, sorry, sei nicht zu verstehen, "mit schönen Grüßen aus dem Jenseits".

Europa hat Identität, Schönheit und Stärke vergessen

Benedikt von Nursia, Franz von Assisi, Nikolaus von der Flüe, aber auch Martin Luther, Galileo Galilei und Johannes Gutenberg bietet der Jesuit außerdem auf, um seine Botschaft unters Volk zu bringen. Dazu kommen katholische und evangelische Märtyrer der Nazizeit: Edith Stein, Dietrich Bonhoeffer und der Journalist Fritz Gerlich.

Sie alle wären "wohl erschüttert, was wir aus der gewonnenen Freiheit gemacht haben", ist der Jesuit überzeugt. Und wie Europa seine Identität, Schönheit und Stärke habe vergessen können. "Weder Goethe noch Bach, weder Michelangelo noch Dürer sind ohne den Mann am Kreuz zu verstehen." Das musste einfach mal gesagt werden, findet Gemmingen.


Quelle:
KNA