Wenn Papst Franziskus am Donnerstag den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK, auch Weltkirchenrat) in Genf besucht, schafft er zugleich den Höhepunkt der Feiern zum 70-jährigen Bestehen. Und trägt so wesentlich dazu bei, dass dieses Jubiläum überhaupt wahrgenommen wird - denn die Gemeinschaft von mittlerweile 348 Kirchen befindet sich seit Jahren in einer Krise.
ÖRK sollte keine "Über-Kirche" werden
Von der Aufbruchsstimmung der Gründungsversammlung im August 1948 in Amsterdam ist nicht viel übrig. Damals war es nach jahrelangem Vorlauf, unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg, endlich gelungen, einen "Kirchenbund" nach Vorbild des Völkerbunds zu bilden. Nicht zufällig nahm er seinen Sitz in Genf, wo auch wichtige Organe der 1945 gegründeten UNO saßen.
Waren die zunächst 147 Mitgliedskirchen meist protestantisch und westlich geprägt, veränderte sich das Profil in den 1960er Jahren durch den Beitritt orthodoxer Kirchen aus dem damaligen Ostblock und soeben erst unabhängig gewordener Kirchen aus ehemaligen Kolonialgebieten des Südens. Laut dem 1950 in Toronto verabschiedeten Selbstverständnis ist der ÖRK "keine 'Über-Kirche' und darf niemals eine werden". Er soll auch keine Unionsverhandlungen zwischen den Kirchen in die Wege leiten.
Einsatz für "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung"
Die Vollversammlung in Harare formulierte 1998, das Hauptziel der Gemeinschaft bestehe darin, "einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis und Dienst an der Welt".
Mit den Begriffen "Zeugnis und Dienst an der Welt" wird der Akzent vor allem auf die praktische Zusammenarbeit gelegt, für die der ÖRK bis heute steht - Kritiker nennen sie Politisierung. Dazu zählten etwa das seinerzeit umstrittene Programm zur Bekämpfung des Rassismus, der Einsatz für Menschenrechte und seit den 1980er Jahren vor allem für "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung". Dieser "konziliare Prozess" gipfelte 1990 in einer Ökumenischen Weltversammlung in Seoul, die einen Wendepunkt markierte: Nach dem Ende der kommunistischen Regime und des bis dahin dominierenden Ost-West-Konflikts folgte auch für den ÖRK eine Phase der Neuorientierung.
Diese zeigte sich besonders in einer zunehmenden Spannung zwischen orthodoxen und protestantischen Kirchen. Während die georgischen und bulgarischen Orthodoxen sich ganz von der Ökumene distanzierten, kritisiert vor allem die russisch-orthodoxe Kirche westliche "Fehlentwicklungen" etwa im Blick auf die Bewertung der Homosexualität, der Frauenweihe und überhaupt des Lebensstils. Sie trifft sich hier aber auch mit evangelischen und anglikanischen Vertretern aus dem Süden.
ÖRK mit Krisenmanagement beschäftigt
Zum inhaltlichen Dissens kam in den letzten Jahren die finanzielle Not hinzu - durch hohe Kosten im teuren Genf, den Wechselkurs des Franken, aber auch eine schwindende Zahlungsmoral der Mitgliedskirchen. Der seit 2009 amtierende Generalsekretär, der wenig charismatische norwegische Lutheraner Olav Fykse Tveit, ist zu nicht geringem Teil mit Krisenmanagement beschäftigt.
Die katholische Kirche hat seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihre Beziehungen zum ÖRK deutlich verbessert, ein Beitritt steht aber nicht auf dem Programm - wegen ihres Selbstverständnisses, aber auch angesichts der Tatsache, dass sie mit 1,3 Milliarden Mitgliedern mehr als doppelt so groß ist wie alle ÖRK-Kirchen zusammen. Sie arbeitet aber in mehreren Kommissionen eng mit dem Weltkirchenrat zusammen. Nicht im ÖRK vertreten ist auch die schnell wachsende Gruppe evangelikaler und pfingstlicher Bewegungen, die zum Teil Ökumene grundsätzlich ablehnen.
Als Gesprächsplattform mit diesen gründete der ÖRK vor 20 Jahren das "Globale Christliche Forum", das inzwischen einen Teil dieser Gruppierungen einbindet. Wenn der ÖRK auch in Zukunft eine Rolle spielen will, sollte er gerade auf diesem Gebiet oder bei Initiativen wie jüngst der Konferenz für Weltmission und Evangelisation in der tansanischen Stadt Arusha sein Profil schärfen und sich nicht im tagespolitischen Klein-Klein verzetteln.