Wenn der Papst an diesem Donnerstag zum Weltkirchenrat nach Genf reist, dann findet ein von der Ökumene seit langem erwartetes Treffen statt. "Der Papst ist für prophetische Worte bekannt", sagt Kardinal Anders Arborelius im Gespräch mit DOMRADIO.DE. Der Besuch des katholischen Oberhaupts wird mit Spannung erwartet – und mit Anerkennung, gerade von Seiten der Protestanten.
"Der Papst ist mehr und mehr Papst für alle Christen geworden", betont Arborelius. Zwar könnten die Protestanten nicht die Lehre vom Petrusamt akzeptieren, aber immer mehr würden den Papst als Symbolfigur für die Einheit sehen, beobachtet der Kardinal aus Schweden.
"Man ist nicht mehr gegen den Papst, sondern sieht, dass seine Funktion sehr wichtig ist und will gerne hören, was er zu sagen hat", so Arborelius. Man fühle sich mit Franziskus vereint, weil er ein tiefgläubiger und betender Mensch sei. Es gehe ihm weniger um das Etikett der Konfession, sondern um Jesus Christus und um dessen Botschaft.
Man ist sich nicht mehr böse
Der Kardinal aus Schweden gilt als ein wichtiger Berater des Papstes in Sachen Ökumene. Arborelius kennt beide Seiten, immerhin war er die ersten gut 20 Jahre seines Lebens Protestant. "Ich habe aber schon früh Erfahrung mit der katholischen Kirche gemacht", erzählt er. Über Engagement in der ökumenischen Diskussion in Schweden sei er auch den Protestanten in gewisser Weise treu geblieben. Dieser Dialog trage nun Früchte, und die machten sich an einer Mentalitätsveränderung fest: unter Katholiken, Protestanten und im Dialog.
"Wir haben Tränen und Sorgen, dass wir nicht eins sind, aber wir sind deswegen nicht mehr böse aufeinander." Und das sei ein großer Unterschied, so Arborelius. Denn auf dieser Grundlage, noch emotional, aber ohne Groll, lasse sich intensiv miteinander arbeiten. Arborelius nennt das eine "geistige Ökumene": die Einheit der Konfessionen in Spiritualität und Gebet. "Dann fühlen sie sich als Brüder und Schwestern und dann können sie akzeptieren, dass sie nicht immer dasselbe sagen und denken."
Was will der Papst für die Ökumene?
Erst die spirituelle, dann die formelle Einheit also. So sehe das auch der Papst, den Arborelius, die sechs übrigen Bischöfe der nordischen Länder und deren Generalsekretärin, Schwester Anna Mirijam Kaschner, jetzt in Rom besucht hatten. Deswegen sei nicht nur den Protestanten, sondern auch Franziskus das Treffen in Genf wichtig.
Das Wichtigste werde sein, die persönlichen Beziehungen in Gebet und Liebe zu stärken, sagt Arborelius. Um dogmatische, theologische Diskussionen, wie den Kommunionstreit, werde es nicht gehen, schätzt der Kardinal. Das mache auch keinen Sinn, denn "man muss zuerst die geistige Freundschaft in Christus stärken und dann kann man in einem anderen Schritt weiter gehen mit den dogmatischen und ethischen Fragen, in denen es noch keine völlige Einheit gibt."
Was kommt nach Genf?
Vor allem mit Blick auf eine Welt, in der das Individuum immer größer wird und in der immer weniger Menschen sonntags noch die Kirchenbänke drücken, sei Ökumene natürlich ein wichtiges Ziel, damit die Kirche nicht untergeht. Sie sei aber auch kein Selbstzweck, betont Arborelius. Denn vor allem in den sozialen Fragen brauche es eine starke Kirche.
Er habe mit vielen Christen, die als Flüchtlinge nach Schweden gekommen sind, gesprochen. Vorwürfe, Klagen, Fragen und Bitten erreichen den Kardinal im persönlichen Gespräch: "Wo seid ihr? Warum sind wir von Euch vergessen?", fragen ihn die Flüchtlinge im Namen derer, die im Nahen und Mittleren Osten um ihre Existenz bangen. "Wir müssen etwas tun", sagt der Kardinal. Dabei weiß er selbst nicht recht, was das denn sein soll.
"Etwas muss geschehen!" – Aber was?
Arborelius ist ratlos, spricht vom Heiligen Geist und hofft schließlich auf das Treffen in Genf: "Vielleicht kann ja ein ökumenischer Durchbruch etwas erreichen?", überlegt er und erinnert kurz an den Dialog mit den Muslimen. "Es muss etwas getan werden", sagt Arborelius dann wieder und haut unbewusst und leise immer wieder mit der Handfläche auf die Stuhllehne. Die Situation der Christen im Nahen und Mittleren Osten geht ihm, dem ersten und bisher einzigen Kardinal Schwedens, sichtlich nahe. Eine Anteilnahme, die er mit dem Papst teilt.
Die Kirche wolle ja etwas tun, bemerkt er dann. Aber: "Die Kirche versteht auch, dass es sehr komplex ist." Man möchte die Situation nicht verschlimmern. Was also tun? "Es ist traurig. Ich weiß es nicht und andere wissen es nicht, aber etwas muss geschehen", wiederholt er. Wie ein Mantra sagt er dann noch einmal: "Etwas muss geschehen, ja" und geht dann zu dem über, was am nächsten liegt: Der Papstbesuch in Genf. "Vielleicht kann die ökumenische Zusammenarbeit ja tatsächlich eine Öffnung sein."