Es ist Montagmorgen in der Mae-Sai-Prasitsart-Schule in Nordthailand. Schüler begrüßen sich lachend, wie nach jedem Wochenende. Es ist aber kein normaler Schultag für die Kinder. Denn von sechs ihrer Schulkameraden fehlt seit Tagen jede Spur.
Sie gehören zu der Fußballmannschaft, die seit dem 23. Juni in einer überfluteten Höhle in der Provinz Chang Rai vermisst wird. Insgesamt zwölf Jungs im Alter von 11 bis 16 Jahren und ihr Trainer waren an jenem Tag nach dem Training in die Höhle eingestiegen. Seitdem suchen Hunderte Helfer, Taucher, Soldaten und Höhlenexperten nach der Gruppe.
Optimistische Parolen
Wasser wird aus der zehn Kilometer langen, verzweigten Höhle gepumpt, und die Helfer suchen nach anderen Zugängen, um die Fußballer doch noch irgendwie zu finden. Trotz der groß angelegten Suchaktion gibt es seit Tagen kein Lebenszeichen. Die Verantwortlichen geben dennoch optimistische Parolen aus. Die wohlbehaltene Rückkehr der Jugendlichen will niemand in Frage stellen.
Am diesem Morgen beten auch alle Kinder in der Mai-Sai-Pratisart-Schule für ihre Mitschüler. Im Schneidersitz hocken die etwa 3000 Jungen und Mädchen im Schulhof. Die Hände haben sie zur buddhistischen Gebetshaltung gefaltet. "Beten wir alle zusammen. Sprecht mir nach." Sozialkundelehrer Takkapong Thammarangsri spricht in ein Mikrofon.
Ihr gutes Karma aus diesen und den vergangenen Leben solle den Schulkameraden helfen. Buddhisten glauben an Wiedergeburt und daran, dass Handlungen in früheren Leben Auswirkungen auf dieses Leben haben. "Mögen die Göttin Nang Non, alle ehrwürdigen Wesen, Engel und heiligen Wesen, die wir nicht sehen können, die 13 Leben gehen lassen", bitten die Schüler die in der Region verehrte Berggottheit um Hilfe. "Diese Menschen sind meine Freunde, bitte beschützt sie."
Gebete im Alltag
Die 200 Lehrer versuchen, den Optimismus am Leben zu halten, und auch der Schulleiter ermuntert die Kinder, nach vorne zu blicken: "Ihr könnt für sie beten, aber besucht auch den Unterricht wie normal", sagt er. "Vielleicht gibt es heute Abend gute Nachrichten."
Er sei anfangs schockiert, traurig und nervös gewesen, sagt Thanwa Chuaychukit. Sein Freund, der 16-jährige Peerapat, zählt zu den Vermissten. Jetzt werde es langsam besser. "Wir kennen uns seit der 7. Klasse und machen oft was miteinander." Die ganze Klasse mache sich Sorgen, aber man müsse auch an die nächsten Prüfungen denken. "Wir haben Hoffnung, dass sie zurückkommen", sagt er.
Anderen fällt es schwerer, nicht ständig an die Freunde zu denken. Er kenne den ebenfalls vermissten Prajak seit einem Jahr, sagt der 14-jährige Komin Armaw. Normalerweise sitzt er im Unterricht daneben. "Er lernt fleißig und ist gut in Mathe. Ich frage ihn oft etwas", sagt er, bevor ihn seine Gefühle übermannen. "Letzten Samstag war sein Geburtstag." Er verstummt und zeigt ein Handyfoto von ihrem letzten gemeinsamen Ausflug.