Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln: Was ist das Besondere an dieser Sitzung des Diözesanpastoralrates?
Rainer Maria Kardinal Woelki (Erzbischof von Köln): Das Besondere dieser Sitzung – und generell des Gremiums Diözesanpastoralrat – war, dass wir gemeinsam und miteinander die Zukunft der Kirche hier in Köln und die Fragen, die uns gegenwärtig herausfordern, angegangen sind, um einen guten, zukunftsorientierten Weg für das Erzbistum Köln zu finden.
Kirchenzeitung: Wie wichtig ist der Diözesanpastoralrat als Beratungsgremium für den Erzbischof?
Woelki: Der Diözesanpastoralrat ist neben dem Priesterrat das wichtigste Beratungsgremium des Erzbischofs. Hier werden alle wichtigen und entscheidenden Fragen, die die Zukunft und die Pastoral im Erzbistum angehen, miteinander diskutiert, beraten und vorangetrieben. Ich bin sehr froh und dankbar, dass sich neben den hauptamtlichen Mitgliedern hier auch viele Menschen aus den Gemeinden, Verbänden und Gremien des Erzbistums engagieren und an der Gestaltung der Zukunft der Kirche mitarbeiten wollen. Damit ist der Diözesanpastoralrat selbst schon ein Teil des Zukunftsweges, den wir eingeschlagen haben.
Kirchenzeitung: Ich habe mit verschiedenen Teilnehmern gesprochen, und sie haben mir von einer sehr guten Atmosphäre in den vergangenen zwei Tagen berichtet. Können Sie das bestätigen?
Woelki: Das ist auch mein Eindruck. Der Ablauf der Beratungen war wirklich konstruktiv und das Gremium absolut arbeitsfähig. Es wurde sehr kompetent und sachorientiert miteinander gesprochen. Was mich besonders freut, ist der gegenseitige Respekt, mit dem sich alle Teilnehmenden begegnet sind. Darin wird greifbar und spürbar, dass wir alle in der Kirche die gleiche Würde haben – auch wenn wir unterschiedliche Rollen und Funktionen innehaben
Kirchenzeitung: In der Vergangenheit hat es um den Begriff Pastoraler Zukunftsweg einige Irritationen gegeben. Gibt es heute hier nach dieser Tagung mehr Klarheit darüber?
Woelki: Der "Pastorale Zukunftsweg" war bisher ein Arbeitstitel. Es geht um Pastoral, es geht um Zukunft, und das ist ein Weg. Es ist schon sehr beachtlich, wie viele geistliche Impulse mit teils sehr konkreten Aufbrüchen wir in unserem Bistum bereits sehen können. Als Christen sind wir Wege-Menschen. Gott ruft uns immer wieder neu dazu auf, uns auf einen Weg zu machen, der in die Zukunft führt. Diese Zukunft ist nicht unbestimmt, sondern diese Zukunft ist Gott selber, ist Christus selber. Und unsere Aufgabe als Christen ist es, Gott in die Gegenwart, in das Heute hineinzuholen. Er ist das wahre Pfund, Faustpfand und Glück unseres Lebens. Der Pastorale Zukunftsweg wird Christen darin unterstützen, ihr Leben und das Kirchesein aus dieser Grundhaltung heraus zu gestalten.
Kirchenzeitung: Welches Signal geht von diesem Wochenende aus?
Woelki: Aufbruch natürlich und zwar gemeinsam! Ich spüre die Bereitschaft und den Willen ganz deutlich. Das macht mich zuversichtlich, dass dieses positive "Bensberger Signal" von hier aus das ganze Bistum erfasst.
Kirchenzeitung: Fühlen Sie sich getragen durch die Menschen, die hier mit Ihnen beraten haben?
Woelki: Auf jeden Fall. Das habe ich auch schon in der Vergangenheit getan. Aber tatsächlich geht von der aktuellen Sitzung des Diözesanpastoralrats ein besonders ermutigendes Signal aus. Es freut mich sehr, dass immer mehr Menschen sich auf diesen pastoralen Weg begeben, sich innerlich damit anfreunden und zu einer gemeinsamen Neuausrichtung als Kirche von Köln finden.
Kirchenzeitung: Sie haben heute hier Zahlen vorgestellt, die die wahrscheinliche pastorale Situation für das Jahr 2030 aufzeigen. Da müssen wir realistischerweise von einer mehr oder weniger Halbierung der pastoralen Dienste ausgehen. Ist das ein Grund zur Verzweiflung?
Woelki: Zahlen sind ohne Bezug erst einmal nicht verständlich. Deshalb müssen sie in ein Koordinatensystem eingestellt werden. Es stimmt, dass wir in den nächsten Jahrzehnten im Vergleich mit heute nicht mehr mit so viel hauptamtlichen pastoralen Kräften werden rechnen können. Aufgrund der absehbaren demografischen Entwicklung werden wir in einigen Jahren auch nicht mehr so viel Geld aus Kirchensteuereinnahmen zur Verfügung haben wie heute. Aber dies alles sind keine Gründe zur Verzweiflung. Welche Diözese kann schon sagen, dass sie 2030 auf jeden Fall 600 hauptamtliche Mitarbeitende haben wird, die alleine für die Seelsorge und die Pastoral zuständig sind? Gleiches gilt für die wirtschaftliche Situation: Auch hier sind wir mehr als gesund. Wir können unsere Zukunft aktiv und positiv gestalten!
Kirchenzeitung: Sie haben in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht, dass auch von den Priestern ein Bewusstseinswandel ausgehen muss in Bezug auf die weitere Entwicklung der kirchlichen Situation im Erzbistum Köln. Welche Rolle werden die Priester in Zukunft haben und welche neuen Aufgaben und Rollen werden die Laien, die Getauften und die Gefirmten übernehmen müssen, sollen, dürfen?
Woelki: Es ist eigentlich ganz einfach: Wir als Kirche haben eine gemeinsame Sendung als Volk Gottes und als Leib Christi – und das bedeutet, dass jedes Glied des Leibes Christi berufen und gesendet ist. Jeder getaufte und gefirmte Christ ist durch das gemeinsame Priestertum dazu berufen, die Botschaft des Evangeliums zu leben und andere dafür zu begeistern. Wir sind also keine Kirche der Hauptberuflichen – das betont schon das Zweite Vatikanische Konzil und das wollen wir im Erzbistum Köln noch deutlicher leben. Wir haben in unseren Gemeinden so viele Menschen mit vielfältigen Charismen, Talenten und Gaben. Diese zu finden und zu fördern ist die Aufgabe der Stunde und das Zeichen der Zeit.
Die Priester haben eine spezielle Aufgabe: Sie vollziehen den Heiligungsdienst stellvertretend für die Kirche und alle Gläubigen. Sie feiern die Sakramente und die Eucharistie, die für uns Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens ist und bleiben wird. Es gibt keine Kirche ohne Priester. Aber auch dies ist wichtig: Der Papst wendet sich ganz klar gegen eine Klerikalisierung. Er schreibt in Evangelii Gaudium: "Du hast eine Mission". Jeder Getaufte ist hier gefragt, Christus ein Gesicht zu geben, dort wo er steht, im Beruf, in der Familie, in der Freizeit, ganz gleich, wo das ist...
Kirchenzeitung: Wo liegen die größten Chancen in diesem ganzen Prozess?
Woelki: Darin, dass das Evangelium heute gelebt wird. Dass das Evangelium eine ganz konkrete Gestalt bekommt, dass wir hoffentlich immer mehr und mehr zeigen, wie lebensrelevant der christliche Glaube für uns, für die Kirche und für die Welt ist. Wir müssen eine diakonische Kirche werden, die für die Menschen da ist und die den Menschen nicht das vorenthält, was eigentlich unser Herz brennend macht, nämlich Christus.
Kirchenzeitung: Wovon träumen Sie, wenn Sie an die Kirche im Erzbistum Köln im Jahr 2030 denken?
Woelki: Ich träume davon – und bin überzeugt davon –, dass wir immer mehr zu einer lebendigen, mutigen, jungen, zum Aufbruch bereiten Kirche werden, die sich jeden Tag dazu herausrufen lässt, Christus berührbar und sichtbar zu machen in der Welt von heute für die Menschen von heute.
Das Interview führte Robert Boecker.