"Am siebten Tage sollst Du ruhn", heißt es in der Bibel. Das dritte der Zehn Gebote mahnt zur Heiligung des Feiertages. Ein weiterer Grund, den Sonntagsgottesdienst zu besuchen, ist das Gedenken an die Auferstehung Jesu. Doch schon vor 20 Jahren waren dieser Kirchgang und der arbeitsfreie Sonntag keine Selbstverständlichkeit mehr. Vermeintliche Sachzwänge im Arbeitsleben sorgten für eine Aushöhlung des gebotenen Ruhetages.
Das "wöchentliche Ostern"
Grund genug für Papst Johannes Paul II., am 7. Juli 1998 sein apostolisches Schreiben "Dies domini – Über die Heiligung des Sonntags" zu veröffentlichen.
In dem 111 Seiten umfassenden Dokument wollte der Papst die Gläubigen wieder für den ursprünglichen Sinn des Sonntags sensibilisieren: Die Messe sei ein "bedeutsames Element der christlichen Identität" und der Sonntag das "wöchentliche Ostern". Deshalb müsse dieser "Tag des Herrn" geheiligt werden, insbesondere durch die Teilnahme am Gottesdienst - auch wenn die Gläubigen sich damit gegen Strömungen des Zeitgeistes wenden müssten.
Mittlerweile werde der Sonntag zunehmend auf ein reines "Weekend" reduziert – zum "Relaxen", fürs "Shoppen" oder Ausflüge genutzt, beklagte der Papst. Wenn aber der Sonntag seinen ursprünglichen Sinn verliere, "kann es geschehen, dass der Mensch nicht mehr den 'Himmel' sehen kann, weil er in einem so engen Horizont eingesperrt ist", heißt es in "Dies domini".
Auch 20 Jahre später noch aktuell
Auch nach 20 Jahren bleibt das Schreiben aktuell, der Appell zum regelmäßigen Messbesuch ungehört. Nur noch 2,4 Millionen deutsche Katholiken - jeder Zehnte - gehen laut Deutscher Bischofskonferenz heute ihrer Sonntagspflicht nach und besuchen am Wochenende eine Messe. Experten schätzen, dass die Zahlen noch weiter zurückgehen werden.
Auf das Wort "Sonntagspflicht" reagieren ohnehin selbst gläubige Menschen mitunter allergisch. Theologen und Seelsorger verweisen auf den Sonntag als Einladung Gottes an die Menschen. So hilft der freie Tag, einmal vom Hamsterrad des Alltagslebens runterzukommen, um den Kopf wieder frei zu bekommen für Dinge, die wichtiger sind als Arbeit und Konsum: Zeit für die Familie, Freunde, für ein gutes Buch oder einen Spaziergang. Auch Arbeitspsychologen verweisen darauf, wie wichtig solche regelmäßigen Verschnaufpausen sind. Gemeinsame Unternehmungen sind aber nur möglich, wenn der andere – wie am Sonntag – auch frei hat.
Zunahme von Sonntagsarbeit und verkaufsoffenen Sonntagen
Für solche menschlichen Bedürfnisse scheint es im heutigen Arbeitsleben aber immer weniger Verständnis zu geben. Sonntagsarbeit und verkaufsoffene Sonntage nehmen zu, der Sonntagsschutz wackelt. Heute wird das Wochenende zunehmend – unter dem vermeintlich positiven Stichwort der Flexibilisierung – auch mit Arbeitszeit belegt.
Ist der Sonntag also noch zu retten? Nach Artikel 140 des Grundgesetzes gilt er als allgemeiner Ruhetag, noch. Denn seit 2006 können die deutschen Bundesländer in eigener Regie Ladenöffnungszeiten erlassen. Das Resultat: Die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage nimmt überall zu. Eine Entwicklung, gegen die evangelische und katholische Kirche 2009 beim Bundesverfassungsgericht mit Teilerfolg geklagt hatten. Die Begründung: Mit dem arbeitsfreien Sonntag drohe ein menschlich und kulturell wichtiges Gut verloren zu gehen, auf das alle, Christen wie Nichtchristen, ein Recht hätten.
Druck auf den Sonntag wächst
Dennoch fordern weiterhin vereinzelt Vertreter aus Politik und Wirtschaft, die grundgesetzlich garantierte Sonntagsruhe abzuschaffen und die Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen auszuweiten. Erst im vergangenen November warnten die beiden großen Kirchen in Nordrhein-Westfalen die Landesregierung vor einer weiteren Aushöhlung des Sonntagsschutzes. Dennoch beschloss der Landtag eine Verdoppelung der verkaufsoffenen Sonntage von vier auf nun acht je Kommune und Geschäft.
Der Druck auf den Sonntag wird in Zukunft kaum weniger werden. Und so werden Kirchen und Gewerkschaften wohl auch weiterhin – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – beim Sonntagsschutz an einem Strang ziehen. Das zeigt, dass Johannes Paul II. mit seinem Schreiben "Dies domini" auch einen Nerv der Zeit getroffen hat.