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"Verlust, Trauer und Schmerz – das alles kennt Gott", sagt Elisabeth Schang und richtet ihren Blick fest auf die Angehörigen in der ersten Reihe. Sie spricht ruhig, dem Anlass angemessen. Ab und zu wendet sie sich dem schlichten Holzsarg zu, der seitlich vom Altar auf dem Boden liegt, und bezieht mit dieser bedachten Geste den Verstorbenen mit ein. Dann schlägt sie das Alte Testament auf: "Hören wir dazu eine Lesung!" Später wird sie persönliche Worte über den liebevollen Familienvater und achtfachen Großvater finden, etwas aus seinem Leben berichten und diese einzelnen, für ihn typischen Episoden mit der tröstlichen Botschaft der Bibel verknüpfen. Denn ihre Traueransprache, eines der Kernstücke dieser kirchlichen Beerdigung, hat Schang sorgfältig vorbereitet. Dazu hat sie viele Informationen aus einem fiktiven Trauergespräch zusammengetragen und dabei sensibel berücksichtigt, dass die Familie keine ausgeprägte Bindung an die Kirche hat, aber dennoch eine katholische Abschiedsfeier wünscht. So jedenfalls lautete die Aufgabenstellung von Ausbildungsleiterin Eva-Maria Will und den beiden Referenten, Professor Alexander Saberschinsky, Liturgiereferent im Erzbischöflichen Generalvikariat, und Diakon Dr. Marc Kerling, zuständig für die "liturgische Inszenierung" an diesem Vormittag. Gemeinsam proben sie mit acht Frauen und Männern, die eine Schulung zum ehrenamtlichen Bestattungsbeauftragten absolvieren, den "Ernstfall".
Elisabeth Schang stellt sich – wie die anderen Kursteilnehmer in der Friedhofskapelle auf Melaten auch – einem Testdurchlauf unter realen Bedingungen. Die pensionierte Religionslehrerin hat an dem viermonatigen Ausbildungskurs des Bistums mit zwei Wochenenden sowie jeweils drei Tages- und Abendveranstaltungen teilgenommen und durchläuft gerade das letzte Modul: Sie übt den Ablauf der kirchlichen Begräbnisfeier. Demnächst aber wird sie ohne die kritisch-konstruktiven Hinweise, häufiger Sprechpausen einzulegen, noch mehr Blickkontakt zur Gemeinde zu suchen oder den zu spät Kommenden keine Aufmerksamkeit zu schenken, auf sich alleine gestellt sein. Und dann soll alles "rite et recte" – würdig und recht – zugehen mit dem Ziel, dass die Hinterbliebenen eine zugewandte und persönlich gestaltete Trauerfeier erleben, die ihnen Trost schenkt, bei der sie aber vor allem auch Kirche als positiven Andockpunkt erleben. "Noch einmal wollen sie den geliebten Menschen, den sie verloren haben, in den Mittelpunkt gestellt sehen und dabei gegebenenfalls auch erfahren, welche Gottesvorstellung oder gar Christusbeziehung er hatte", erklärt Diakon Kerling. Natürlich sei zu berücksichtigen, ob der Verstorbene ein verdientes Kirchenvorstandsmitglied ist, das alle kannten, oder eben jemand, der eher als kirchenfernstehend galt. "Auf solche Feinheiten muss man reagieren, damit es authentisch bleibt."
Klar definierte Kriterien
"Eine kirchliche Begräbnisfeier ist für beide Seiten eine Chance, an einem sensiblen Lebenswendepunkt miteinander in Kontakt zu kommen", sagt Will, im Erzbistum Köln verantwortlich für Bestattungskultur und Trauerpastoral. Eine würdige und einfühlsame Feier könne einen wichtigen Beitrag zum Gelingen von Trauerprozessen leisten, weiß die Theologin. Gleichzeitig eröffne sie mitunter eine bleibend wichtige Erfahrung mit der Kirche, ihrem zentralen Glaubensgeheimnis und ihrer Auferstehungshoffnung. Die Ausbildungsleiterin setzt auf Qualität. Ganz wichtig sei, so argumentiert sie, dass die zukünftigen ehrenamtlichen Bestattungsbeauftragten eine Akzeptanz in ihrer Gemeinde hätten und innerhalb des Seelsorgeteams vorab überhaupt deren Bedarf geklärt worden sei. Und dass die Interessenten dann eine hohe Motivation mitbringen, Menschen das letzte Geleit zu geben und diesen "Dienst der Barmherzigkeit" aus Überzeugung und mit entsprechender Haltung zu verrichten. "Dafür braucht es auch ein Stück Hingabe und großen Respekt vor dem Toten, dessen Würde ja über den Tod hinaus bleibt."
Bereits bei der Kandidatenauslese gibt es klar definierte Kriterien. "Ehrenamtliche Bestattungsbeauftragte müssen emotional gefestigt sein, eine gewisse Neugierde für diese Ausbildung mitbringen und ein Gespür dafür, dass sie diesen Dienst im Auftrag der Kirche ausführen. Denn wir bilden keine freien Trauerredner aus", beugt Will Missverständnissen vor, "sondern bieten den Teilnehmern mit dieser Schulung auch einen geistlichen Weg an, den eine solche Gruppe dann miteinander geht und auf dem sie sich gegenseitig austauscht und auch stützt." Voraussetzung sei, sich in die jeweils sehr individuelle Trauersituation einfühlen zu können und dann den richtigen Ton zu treffen. Ebenfalls unabdingbar sei, dass sich jeder im Vorfeld über seine eigene Motivation klar werde. Dass die meisten eine berufliche, gemeindliche oder existenzielle Nähe zu dieser Aufgabe mitbringen – beispielsweise als Notfallseelsorgerin, hauptamtliche Hospiz-Koordinatorin oder als Altenpfleger – ist eher von Vorteil. "Heute war spürbar, dass die Kursteilnehmer gegen alle Trauer den Gott des Lebens verkünden und mit ihrer Art der liturgischen Gestaltung ein eigenes Glaubenszeugnis geben", resümiert Kerling nach dem Übungsteil in der Kapelle. Dann gibt er die letzten Tipps bei der Prozession zum Grab und beim Versenken der Urne ins Erdreich. Auch das soll einmal mit viel Ruhe "durchgespielt" werden.
Viele Freiwillige
"Es ist wichtig, sich mit der katholischen Bestattungsliturgie vertraut zu machen", findet Liturgie-Experte Saberschinsky. "Nicht nur, um alles richtig zu machen. Vielmehr geht es darum, die Trauernden an der Auferstehungshoffnung teilhaben zu lassen, um die die Texte und Zeichenhandlungen kreisen." Der Ritus mit seinem festen Ablauf entlaste die Betroffenen. "In einer Situation, in der alles zu entgleiten scheint, ist sie wie ein Geländer, an dem entlang man sich durch die schwierige Zeit hangeln kann. Die Ehrenamtlichen im Bestattungsdienst helfen dabei den Trauernden, diesen Halt nicht zu verlieren." Nicht von ungefähr sprächen Katholiken von einer "Feier". "Wer weiß, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, muss trotz aller Trauer die Hoffnung nicht aufgeben. Das gilt es zu vermitteln."
Nun werden die Kursteilnehmer vor Ort durch einen Mentor in den Bestattungsdienst eingeführt, bevor sie zum kommenden Osterfest von ihrem Pfarrer in ihre Gemeinden entsandt werden, wo sie mit ihrem Dienst fest verankert sind. "Das bedeutet, dass Christen ihre Mitchristen beerdigen", erklärt Eva-Maria Will, "und hat den Nebeneffekt, dass sich der Einzelne noch einmal ganz neu mit dem eigenen Sterben befasst und seine Überlegungen dazu auch in die Gemeinde trägt." Erstaunlich sei, wie viele sich freiwillig meldeten und eine bewusste Entscheidung für diesen Dienst träfen. Und für die Priester und Pastoralen Dienste in den Pfarreien könnten diese Mitarbeiter eine Bereicherung sein, indem sie zusätzliche Charismen einbrächten. "Die positiven Rückmeldungen zeigen uns schon jetzt", betont Will, "dass die von ehrenamtlichen Bestattungsbeauftragten gestaltete Begräbnisfeier auf keinen Fall ein Dienst ‚zweiter Klasse’ ist."