DOMRADIO.DE: Seit 2015 hat sich die Rhetorik und der Ton zum Thema Zuwanderung verschärft. Inwiefern beeinflusst das Ihre ehrenamtliche Arbeit?
Walter Eumann (Ehrenamtlicher beim Runden Tisch Riehl): Es beeinflusst sie natürlich. Allerdings machen wir uns zur Maxime, dass in unserem kleinen Riehl die Flüchtlinge, die wir da kennengelernt haben - ob die Elena oder Mohammed oder Elvis heißen - nichts dazu können, dass es den IS gibt, dass es den Syrienkrieg gibt, dass es Populismus in Europa gibt, dass Herr Seehofer sich im Ton vergreift. Die können nichts dazu und insofern sagen wir uns: Das soll unsere Arbeit vor Ort nicht tangieren.
DOMRADIO.DE: Spüren Sie denn die Folgen dieser Meinungsmache der einzelnen Politiker? Und wenn ja: Auf welchen Ebenen?
Eumann: Ich antworte jetzt wieder ganz konkret fürs Viertel. In unserem kleinen dörflichen Riehl beobachten wir, dass das, was Populisten auf den Weg bringen, Früchte trägt - insofern, dass Leute Meinungen äußern, die sie vor drei Jahren eher nicht geäußert haben. Dass man Menschen mit T-Shirts sieht, die eine eindeutige Sprache sprechen. Consdaple-T-Shirts - da kommen die Buchstaben NSDAP vor. Das ist kein Zufall. Die sieht man auch in Riehl. Umso wichtiger, denken wir, ist unsere Arbeit und dass wir Präsenz zeigen und deutlich machen, dass wir uns das nicht nehmen lassen.
DOMRADIO.DE: Ist das auch mit der Grund, warum die Initiative damals 2014 entstanden ist? Oder waren das andere Beweggründe?
Eumann: Ja, eigentlich genau so. Im Februar 2014 gab es die ersten Geflüchteten, die in Riehl untergebracht worden sind. Es fing mit 80 Geflüchteten an. Zwischenzeitlich waren es über 600, jetzt pendelte es sich bei circa 400 ein, was für einen kleinen Stadtteil relativ viel ist. Da gab es direkt eine Reaktion von rechten Parteien - damals Pro Köln - die professionell gemachte Flugblätter insbesondere im Senioren-Behinderten-Zentrum Köln, bekannt als Riehler Heimstätten, verteilt haben. Da haben wir - einige Riehler Bürgerinnen und Bürger - uns gesagt: Das lassen wir uns nicht bieten. Riehl darf nicht braun werde, Riehl soll schön bunt bleiben. Zeitgleich gab es eine karitative Bewegung von Menschen, die in der Nähe der Flüchtlingsheime wohnten und gesagt haben: Wir sehen da so viel Not, da packen wir an. Es ist gelungen, die karitative und die politische Richtung zusammenzuführen. Den Runden Tisch Riehl gibt es seit März 2014.
DOMRADIO.DE: Sie arbeiten aktuell an der großen Aufgabe der Integration. Wie machen Sie das?
Eumann: Wir Ehrenamtler haben einen ganz großen Vorteil gegenüber allen Behörden: Wir dürfen ungerecht sein. Wir dürfen uns die Menschen zur Unterstützung suchen, die bereit und fähig sind zur Integration, und andere, die es nach unserer Erfahrung auch gibt, unterstützen wir nicht. Das ist das eine. Über die Willkommensarbeit am Anfang haben sich Eins-zu-eins-Beziehungen zwischen Ehrenamtlern und Flüchtlingsfamilien gebildet. Die halten auch dann, wenn Familien aus Riehl weggezogen sind und in anderen Stadtteilen von Köln leben. Die Begleitung bei der Schulsuche für die Kinder, bei der Wohnungssuche, bei Arbeitsplatzsuche, bei Ausbildungsplatzsuche bleibt.
DOMRADIO.DE: Wenn wir über Riehl hinaus schauen: Was glauben Sie, wie kann Integration insgesamt funktionieren?
Eumann: Ich will mir da keine allgemeingültige Antwort anmaßen, sondern auch aus unseren Erfahrungen antworten. Integration kann funktionieren, wenn man sehr schnell gute Bedingungen schafft. Das heißt auch, dass Entscheidungen über das Bleiberecht von Geflüchteten sich nicht über drei Jahre hinziehen dürfen. Allgemein politisch, denke ich, kann es gelingen, wenn man klar unterscheidet zwischen einem Einwanderungsgesetz, das wir meiner Meinung nach dringend brauchen und das klare Regelungen schafft, wer in der Bundesrepublik Deutschland Bleiberecht bekommen soll, und dem strikten Einhalten von dem Recht auf Asyl.
DOMRADIO.DE: 2014 und 2015 haben sich viele Menschen in Deutschland für die Flüchtlingsarbeit engagiert. Wie sieht es aber jetzt aus? Benötigen Sie mehr Engagement?
Eumann: Alle benötigen mehr Engagement, auch andere Ehrenamtler, die tätig sind. Aber Sie haben recht. 2015 konnten wir uns vor insbesondere Kleiderspenden, aber auch Anfragen zur Mitarbeit, teilweise nicht retten. Das hat nachgelassen. Das ist sicherlich auch ein Reflex auf die politische Lage. Ja, wir würden uns sehr über neue Ehrenamtler freuen. Schauen Sie auf unsere Homepage und entscheiden Sie sich vielleicht bei uns mitzumachen. Das gilt aber auch für die vielen anderen Willkommens- und Integrationsinitiativen in Köln. Da gibt es circa 50 jeweils in den verschiedenen Vierteln.
Das Interview führte Aurelia Rütter.