50 Jahre Touristenseelsorge auf Texel

Eine Insel mit zwei Bergen – und Kirche in den Dünen

Sommer, Sonne, Strand und mittendrin die katholische Kirche. Seit 50 Jahren bietet das Bistum Essen in den Dünen Touristenseelsorge an. Manche Urlauber richten ihren Aufenthalt nach diesem Angebot aus.

Autor/in:
Nadine Vogelsberg
Bernd Wolharn  / © Nadine Vogelsberg (KNA)
Bernd Wolharn / © Nadine Vogelsberg ( KNA )

Es ist nicht ganz einfach, eine Unterhaltung mit Bernd, Barbara, Jonas und Christoph zu führen. Alle paar Minuten springt mindestens einer der vier auf, um Neuankömmlinge enthusiastisch zu umarmen. «Mensch, schön, dass Du da bist - seit wann bist Du denn hier? Wie lange bleibst Du? Was möchtest Du trinken?», wird dann gefragt. Man kennt sich auf Texel. Dabei wohnen alle diese Menschen gar nicht dauerhaft auf der niederländischen Insel, sondern nur während der Sommerferien. Seit 50 Jahren packen auch Ehrenamtliche des Bistums Essen ihre Koffer und kommen nach Texel.

In drei Teams für je drei Wochen kümmern sie sich um die deutschsprachigen Urlauber. Die zweite Schicht übernehmen Pfarrer Bernd Wolharn, Barbara Fromme, Jonas Bünk und Christoph Kischkel. Es ist an ihnen, morgens in den Dünen bei dem kleinen Ort De Koog den Wohnwagen aufzuschließen, der zentrale Ort der Kirche am Strand. Keiner der vier ist zum ersten Mal auf der Insel, so wie die meisten Urlauber auch schon einige Jahre nach Texel kommen. Da haben sich alle erst einmal viel zu erzählen.

Von Ehevorbereitungsgespräche und Babytaufe

Eine richtige Urlaubsfamilie sei das, meint Christoph, der als Grundschullehrer arbeitet, wenn er nicht gerade auf Texel ist. Er ist zum dritten Mal im Seelsorgeteam, die Touristen kennen ihn. Vor allem kennen sie auch das Angebot: neben Gottesdiensten ein breites Freizeitprogramm. Das sieht jedes Jahr anders aus. Nichts solle sich wiederholen, betont Bernd Wolharn. Vor 26 Jahren, im Studium, war er erstmals dabei und ist auch heute noch jedes Jahr ein paar Wochen auf Texel.

Wochenlang campen auf einer Düne am Meer - klingt nach Urlaub, ist es für die Ehrenamtler aber nicht. Da steckt Arbeit drin, betont Wolharn. "Es ist aber die schönste Arbeitszeit im Jahr!" Ehevorbereitungsgespräche hat er hier schon geführt und Babys getauft. Besonders freut ihn, dass auch die geistlichen Angebote und Gottesdienste gut angenommen werden. Hunderte kommen, wenn er sonntagsmorgens in der eigentlich profanierten Ortskirche Messe feiert. Unter die vielen deutschen Touristen mischen sich immer auch ein paar Einheimische, vor allem wenn in Kooperation mit der evangelischen Ortsgemeinde Taize-Gottesdienst gefeiert wird.

Urlaubenden Priester angesprochen

Angefangen hat alles, als vor 50 Jahren einige deutsche Urlauber einen auf Texel urlaubenden Priester angesprochen hatten, ob er nicht mit ihnen Messe feiern wolle. Er wollte. Und bereits im nächsten Jahr startete das Bistum Essen am gleichen Ort die Touristenseelsorge. Die Gottesdienste gehörten von Anfang an dazu, aber auch andere Aktivitäten wie das Strandsingen, immer dienstagsabends, schon seit Jahrzehnten.

Die Angebote sind bewusst so gehalten, dass sich jeder angesprochen fühlen kann: Katholik, Protestant, Konfessionsloser. «Wir sind halt mittendrin», sagt Wolharn. So sehr, dass mancher seinen Urlaub danach ausrichtet und schaut, wann die Seelsorger da sind. Der eine oder andere fährt am Sonntagmorgen um vier Uhr los, um ja pünktlich zur Messe auf der Insel zu sein. Zum Strandsingen kommen auch schon mal Menschen vom Festland auf die Insel; die letzte Fähre bringt sie dann zurück.

Touristen dürfen mitgestalten

Aktionen, in denen die Menschen sich selbst mit einbringen könnten, kämen am besten an, weiß Wolharn, der freitags auch dazu einlädt, den Sonntagsgottesdienst mit ihm vorzubereiten. Davon wird er nicht einmal eine Ausnahme machen, wenn am Sonntag der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck zum 50-Jahr-Jubiläum nach Texel kommt. Auch weil die Touristen viel mitgestalten können, sind die Seelsorger so beliebt. Viele fänden hier die Kirche, die sie in ihren Heimatgemeinden vermissten, sagt Christoph.

Zwischen all den Aktivitäten und Gottesdiensten ist das Team vor allem eins: anwesend. Sie bieten Zitronentee und Bücher zur Ausleihe, plaudern, führen aber auch Seelsorgegespräche. Stundenlang spazieren sie dann mit den Urlaubern am Strand entlang. Manche schätzen die Anonymität des Urlaubsorts, andere haben über Jahre Vertrauen zu den Seelsorgern entwickelt. Ob der Partner verstorben ist, es Probleme in der Beziehung oder am Arbeitsplatz gibt - Wolharn und sein Team kümmern sich.

Generationsübergreifend

So begrüßt man sich nicht nur am Wohnwagen enthusiastisch, sondern auch in der Kirche. Da sind ältere Menschen, Familien mit kleinen Kindern, Jugendliche - so viele, dass die Touristen sich bis in den Eingangsbereich und um den Altar drängen. Vorne sitzen die Musiker:

Touristen, die extra für diesen Gottesdienst ihre Instrumente in den Kofferraum gepackt haben. Am Ende spielen sie ein irisches Segenslied, und die Gemeinde singt auswendig mit: "Möge die Straße uns zusammenführen..." 50 Jahre lang hat die Inselkirche Menschen zusammengeführt; viele kamen als Kinder erstmals her und bringen heute ihre Kinder oder Enkelkinder mit. Und viele Urlauber haben sich jetzt schon vorgenommen: nächstes Jahr wieder!


Gottesdienst der Touristenseelsorge auf Texel / © Nadine Vogelsberg (KNA)
Gottesdienst der Touristenseelsorge auf Texel / © Nadine Vogelsberg ( KNA )
Quelle:
KNA