Wie Kirche mit Menschen (wieder) ins Gespräch kommen kann

"Verkünden! Dann werden auch Leute kommen"

Die Kirche muss aktiv auf die Menschen zugehen – davon ist Dr. Werner Kleine überzeugt. Der Referent für Citypastoral in Wuppertal wählt selbst ungewöhnliche Wege, um Jung und Alt zu erreichen. 

 (DR)

DOMRADIO.DE: Wird es für Sie jetzt nach den Sommerferien auch wieder wichtiger, mehr auf die Menschen zuzugehen?

Pastoralreferent Dr. Werner Kleine (Referent für Citypastoral im Stadtdekanat Wuppertal): Das wird nicht wichtiger, ich mache das ja konkret seit 2004 in Wuppertal. Das zu tun war immer schon wichtig. Wir erreichen durch unsere kirchliche Verkündigung der herkömmlichen Art etwa 20 Prozent der Katholiken. Zum Gottesdienst kommen etwa zehn Prozent. Weitere zehn Prozent sind in Kindergärten, in der Jugendarbeit oder bei sonstigen Gelegenheiten präsent. Das heißt für uns in Wuppertal: Wir haben noch 80 Prozent der anderen Katholiken, die wir erreichen müssen. Da müssen wir etwas tun. 2004 war es schon so, dass 40 Prozent der Stadtbevölkerung keiner christlichen Großkirche mehr angehörten. Ich war damals der Meinung: Das ist ein Thema, um das wir uns kümmern müssen.

DOMRADIO.DE: Es gibt also keinen Unterschied zwischen vor oder nach den Ferien. Sie versuchen gleichermaßen, die Menschen für die Kirche zu begeistern?

Kleine: Ich pflege immer zu sagen: Man weiß nicht so genau, ob Jesus einen freien Tag gehabt hat. Er zieht sich zwar immer wieder zurück, lässt sich dann aber immer auch gerne stören. Ich glaube, dass ein pastoraler Mensch in diesem Sinne selten, eigentlich nie, frei hat. Man hört ja nicht auf, Theologe zu sein.

DOMRADIO.DE: Also, sie warten nicht darauf, dass die Menschen zur Kirche kommen. Sie gehen auf die Menschen zu. Und da gehen Sie auch manchmal ungewöhnliche Wege, oder?

Kleine: Ja, wir suchen immer die Themen, die auf der Straße liegen. Das wird in Wuppertal sicherlich anders sein als in Köln, Düsseldorf oder Bonn. In Wuppertal haben wir einige Projekte, die sicherlich auch in die Stadt hineinpassen. Wir haben zum Beispiel 2009 begonnen, die Adventszeit mit der Graffiti-Krippe zu begleiten. Da sprüht ein Graffitikünstler auf dem Laurentius-Platz sukzessive eine Krippe auf die Wand. Das hat eine ganz große Aufmerksamkeit erzeugt und wir kommen so mit den Menschen in Kontakt. Sie fragen schon, was 2018 passieren wird.

Seit letztem Jahr halte ich auf dem Berliner Platz – das ist ein Platz in Wuppertal Oberbarmen, im Osten der Stadt – am letzten Mittwoch eines Monats öffentliche Reden. Da stelle ich mich auf ein kleines Podest und halte zu aktuellen Themen eine Rede. Das ist durchaus auch polarisierend. Da kommen immer wieder Gespräche zustande: Man erzeugt eine Öffentlichkeit und kann auf diese Weise in den Diskurs der Stadt eintreten.

DOMRADIO.DE: Wer kommt zu diesen "Platzreden"? Sind es auch die jungen Leute, auf die sie warten?

Kleine: Ich warte ja nicht nur auf junge Leute. Ich glaube, es ist ein Irrtum, dass man sich jetzt nur auf junge Leute fokussiert. Die Lebenserwartung des Menschen liegt mittlerweile bei mehr als 83 Jahren. Das Christentum war von Anfang an eigentlich eine erwachsenden Religion. Und ich glaube, dass es ein Fehler ist, dass man sich sehr oft auf Jugendarbeit alleine fokussiert und die Erwachsenen aus dem Blick geraten. Es sind ja die Erwachsenen, die die Kinder erziehen.

Ich bin mal nach der Zielgruppe gefragt worden – da habe ich gesagt, eigentlich sind das alle. Wenn ich die Reden halte, dann bewegen sich vor allem Passanten auf dem Berliner Platz, bewegen. Das sind Leute von Jung bis Alt, die, die eben gerade da sind.

DOMRADIO.DE: Auf der Gamescom in Köln tummeln sich inzwischen alle Alterstufen, die sich irgendwie mit Computerspielen beschäftigen. Was glauben Sie, wenn die Kirche mehr in der Computerspiel-Branche vertreten wäre, würden sich dann auch wieder mehr Menschen für die Kirche interessieren?

Kleine: Die Frage ist ja, welche Ziele wir haben. Der Auftrag Jesus lautet ja nicht: "Gründet Gemeinden oder macht die Kirchen voll", sondern "Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen in der Welt". Das muss die Kirche gut machen. Verkünden! Dann werden auch Leute kommen.

Sie haben die Gamescom angesprochen. Wir hatten vor zwei Jahren im Kölner Dom diese Aktion "Silent Mod". Ich habe mich damals sehr skeptisch gegenüber diesem Projekt geäußert, aus einem ganz einfachen Grund: Der Kölner Dom steht linksrheinisch, die Gamescom findet in den Messehallen rechtsrheinisch statt – von hier aus etwa ein Kilometer entfernt. Soweit ich weiß, ist kaum ein Gamer, eigentlich gar kein Gamer, von dort nach hier gekommen. Das spiegelt so ein bisschen das Problem wieder, das wir als Kirche haben. Wir müssen auf die Gamescom, und zwar mit den Mitteln und in der Sprache und in den Medien, die die Gamer spielen.

Eine Maßnahme wäre, ein intelligentes Computerspiel zu entwerfen, indem die Botschaft, die wir verkünden, so rüberkommt, dass nicht jeder sofort abwiegelt und sagt: "Ah, modernes Gewand, aber drin sitzt wieder nur Mütterchen Kirche". Man muss tatsächlich versuchten, sich in dieses Medium so zu "inkarnieren" wie der Theologie sagt, dass es ein Interesse an einer Auseinandersetzung gibt.

Das Gespräch führte Dagmar Peters.


Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach (privat)
Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach ( privat )
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DR