Das katholische Weltfamilientreffen in Dublin hat keinen wirklich leichten Stand. Am Wochenende wird Papst Franziskus in der irischen Hauptstadt erwartet, zu einem Familienfestival und einem großen Gottesdienst unter freiem Himmel.
Doch während ein dreitägiger Kongress viele Aspekte der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie herausarbeitet und ihre positiven Botschaften vermitteln will, reden die Medien nur über eines: sexuellen Missbrauch.
"Klare und positive Vision von Familie und Ehe vermitteln"
Die Kirche sehe es als Aufgabe und Herausforderung, angesichts einer "komplizierten Welt mit ihren verdrehten Köpfen" eine "klare und positive Vision von Familie und Ehe zu vermitteln", sagte Irlands Primas, Erzbischof Eamon Martin von Armagh, als Hauptredner in Dublin. Zentral gehe es um die "frohe Botschaft, dass das menschliche Leben heilig ist, dass jeder Mensch von Gott kommt (...); dass wir von Gott gewollt sind, der jeden von uns liebt."
Insgesamt 37.000 Menschen aus mehr als 110 Ländern sind als Dauerteilnehmer zu der Tagung mit ihren Vorträgen, Diskussionen und Workshops angemeldet. Die Lehre zur Familie – mit ihren Eckpunkten treue Liebe zwischen Mann und Frau und einer Offenheit für das Geschenk von Kindern – sei angesichts einer "Wegwerfkultur" eine "gute Nachricht für die Gesellschaft und für die Welt", so Primas Martin.
Einem freiheitsliebenden Staat müsse daran gelegen sein, ein davon geprägtes Gewissen seiner Bürger – einschließlich Beamten, Ärzten und Krankenschwestern – zu respektieren. Allerdings habe der "Primat der individuellen Wahl" zu einer großen Gleichgültigkeit etwa gegenüber Abtreibung geführt; so auch beim jüngsten Volksentscheid in Irland.
Konkrete Wirklichkeit von Familien sehen
Die Kirche müsse in der Seelsorge auf die konkrete Wirklichkeit der einzelnen Familie sehen und Barmherzigkeit zeigen, betonte der US-Kardinal Joseph Tobin. Familie sei "kein abstraktes Ideal"; daher sei eine Überbetonung der Lehre, Bioethik oder Moral fehl am Platz und eine "Demut des Realismus" gefordert, so der Erzbischof von Newark.
Ein "zu abstraktes theologisches Ideal" fernab von konkreten Situationen und praktischen Möglichkeiten sei zu vermeiden.
Bibelgruppen für Homosexuelle
Ein aktiveres Zugehen von Pfarreien auf gläubige Homosexuelle forderte der US-Jesuit James Martin. Sie fühlten sich von der Kirche meist ausgeschlossen und trügen Verwundungen davon.
Heilung und Veränderungen zum Positiven sei hingegen möglich, wo es von dieser Seite Entgegenkommen gebe, so der Ordensmann. In seiner New Yorker Pfarrei gebe es Bibelgruppen für Homosexuelle, Austauschmöglichkeiten und einen Willkommensgruß durch Pfarrmitglieder bei jeder Sonntagabendmesse.
Konkret empfahl der Jesuit etwa, jene "Geschenke" zu sehen, mit denen gläubige Homosexuelle das Pfarrleben bereichern könnten. Aufgrund eigener Erfahrungen seien sie oft besonders mitfühlend gegenüber Randgruppen; sie hätten viel Übung darin, anderen zu vergeben, und seien durch ihren Verbleib in der Kirche besonders standhaft.
Menschen nicht als Ware betrachten
Auf den von Papst Franziskus geprägten Begriff der "Wegwerfkultur" kam auch Manilas Kardinal Luis Antonio Tagle zu sprechen: "Menschen verschwinden, wenn wir sie als Ware statt als Personen betrachten", warnte er.
Auch Eheleute sollten sich beim Anblick ihres Partners die Frage stellen: "Siehst du eine Person oder eine Ware? Ein Geschenk oder ein Problem?"
Ein ganzheitlicher Ansatz, den auch die Enzyklika "Laudato si" verfolge, sei jener, so Tagle, "der die Ökologie der Umwelt mit der Ökologie des Menschen verbindet". Beide seien verwoben; eine Entscheidung nach dem Muster "entweder oder" könne es nicht geben.
Familie trage zum Gemeinwohl bei
Dass Familienwerte dazu beitrügen, "die Vorherrschaft von Egoismus und kurzfristigen wirtschaftlichen Zielen" zu überwinden, sagte der Wiener Banker Gordian Gudenus. Er betonte auch die Schlüsselfunktion von Familienunternehmen für das Gemeinwohl.
Zwei von drei Unternehmen weltweit seien Familienunternehmen; sie beschäftigten 60 Prozent aller Arbeitnehmer und trügen zu mehr als 70 Prozent des BIP bei, so der Banker. Von Natur aus dächten Familien "auf lange Sicht" und entwickelten "Strategien für künftige Herausforderungen".
Von Johannes Pernsteiner und Alexander Brüggemann