Vor einzelnen Häusern sind Wimpel in den Vatikanfarben Gelb-Weiß gespannt, an Kirchentüren hängen Willkommensplakate, hier und da winken kleinere Gruppen von Menschen am Straßenrand. Dafür, dass ein Papst das - immer noch - katholische Irland besucht, hält sich die Begeisterung in Irlands Hauptstadt Dublin in Grenzen. Die Stimmung an diesem sonnigen Samstagvormittag ist entspannt.
Thema Missbrauch überschattet Weltfamilientreffen
Anders bei den Hunderten Medienvertretern im Pressezentrum sowie schon morgens in den internationalen Zeitungen: Was sagt der Papst zum Thema Missbrauch? In den vergangenen Wochen hat es erneut für Schlagzeilen gesorgt, droht seine Reise zum Abschluss des seit Dienstag tagenden Weltfamilientreffens zu überschatten.
Gleich in seiner ersten Ansprache im Dublin Castle greift Franziskus es auf. Das Versäumnis von "Bischöfen, Ordensoberen, Priestern und anderen, mit diesen abscheulichen Verbrechen angemessen umzugehen", habe "zu Recht Empörung hervorgerufen" und bleibe "eine Ursache von Leid und Scham für die katholische Gemeinschaft". Franziskus erinnert an seinen Vorgänger Benedikt XVI., der vor acht Jahren in einem ausführlichen Brief an Irlands Katholiken viele Punkte benannte, die heute noch angemahnt werden, und dennoch Opfer und Angehörige enttäuschte.
"Geißel beseitigen"
Spontan erinnert Franziskus an seinen eigenen Brief von Anfang der Woche, in dem er bekräftigt habe, "diese Geißel in der Kirche zu beseitigen, was immer es kostet". Die gut 200 Vertreter aus Politik, Zivilgesellschaft und Diplomatie hören aufmerksam zu. Schließlich hat zuvor Irlands Regierungschef Leo Varadkar deutliche Erwartungen geäußert.
Der Papst solle sein Amt und seinen Einfluss nutzen, um dafür zu sorgen, dass sich solches nicht wiederhole. Für die Vorfälle in Irlands Vergangenheit macht der Premier aber nicht nur die katholische Kirche verantwortlich. Die berüchtigten "Magdalene-Laundries", Mutter-Kind-Heime, illegale Adoptionen und Kindesmissbrauch - all das beflecke ebenso den Staat und die ganze Gesellschaft.
Gebet für die Opfer von Missbrauch
Wer erwartet hatte, der Papst werde neue Maßnahmen verkünden, ist enttäuscht. Stattdessen verweilt Franziskus am Nachmittag mehrere Minuten betend in der St.-Mary's-Kathedrale, wo seit etlichen Jahren eine Kerze brennt für die Opfer von Missbrauch. Die prominente irische Überlebende von Missbrauch, Marie Collins, nennt Franziskus' Rede denn auch "enttäuschend", sie enthalte "nichts Neues". Im Laufe des Abends wollen Vertreter der Gruppe "Ending Clerical Abuse" aus mehreren Ländern berichten, wie sie den Auftritt des Papstes in dieser Frage bewerten.
Am Nachmittag rückt der Anlass der Papstreise, das Weltfamilientreffen, stärker in den Fokus. In der St.-Mary's-Kathedrale will ein junges Paar vom Papst wissen, wie sie Freunden vermitteln können, dass eine Ehe nicht nur ein institutioneller Akt ist. Franziskus tut sich nicht leicht mit der Antwort. In einer "Kultur des Vorläufigen, Kurzlebigen", stelle sich die grundlegende Frage: "Gibt es überhaupt etwas Wertvolles, das halten könnte? Nicht einmal die Liebe?" Es bleibe schwierig zu verstehen, dass eine Ehe eine Berufung sei, gestärkt von der Treue Gottes.
Vorstellungen in Irland gehen auseinander
Wie sehr sich auch in Irland die Vorstellungen vieler diesbezüglich verändert haben, hat Premierminister Varadkar ebenfalls benannt: Abgeordnete und Bürger hätten erkannt, "dass Ehen nicht immer gelingen, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen sollten und dass Familien viele Formen haben können", auch mit gleichgeschlechtlichen Partnern.
Als Franziskus zu dem für seine Reisen schon traditionellen sozialen Programmpunkt fährt, säumen dann doch Zehntausende die Strecke, winken mit Fahnen und jubeln dem Papst zu. Im "Day Centre" der Kapuziner für wohnungslose Menschen begrüßt Bruder Kevin Cowley den Papst als "wahren Bruder der Armen". Mehr als 800 warme Essen werden hier täglich ausgegeben, weitere Gäste erhalten ärztliche Betreuung, Kleidung, können sich waschen, erhalten Rat.
Nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, die Irland besonders hart traf, stieg die Zahl der Gäste bei den Kapuzinern sprunghaft. Der irische Staat, der in seinen Anfängen sämtliche Gesundheits- und Sozialarbeit der Kirche überließ, verwendet heute seinen halben Haushalt für diese Bereiche. Auch dies führte Premier Varadkar an, als er dem Papst berichtete, wie sehr das Land sich seit dem Besuch seines Vorgängers vor 39 Jahren verändert hat.