Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel werde noch in diesem Jahr der Ukraine die kirchliche Eigenständigkeit (Autokephalie) gewähren, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax (Mittwoch). Anschließend würden sich in der Ukraine alle orthodoxen Bischöfe, die für die Autokephalie seien, versammeln, eine neue Kirche gründen und ein Oberhaupt wählen.
In der Ukraine konkurrieren seit Jahrzehnten drei orthodoxe Kirchen miteinander: die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, das 1992 gegründete Kiewer Patriarchat und die vor gut 90 Jahren entstandene "Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche". Die drei Kirchen unterscheidet vor allem ihre Haltung zum Nachbarland Russland.
"Weil Russland das Problem nicht lösen kann, hat das Ökumenische Patriarchat die Initiative zur Lösung des Problems ergriffen"
Das Leitungsgremium des Ökumenischen Patriarchats, der Heilige Synod, berät voraussichtlich Mitte Oktober über die Autokephalie für die Ukraine. Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, hatte vor wenigen Tagen bei einer Bischofsversammlung in Istanbul Russland für die "schmerzhafte Lage" der Orthodoxie in der Ukraine verantwortlich gemacht. "Weil Russland das Problem nicht lösen kann, hat das Ökumenische Patriarchat die Initiative zur Lösung des Problems ergriffen", sagte er laut Angaben von Teilnehmern.
Das Moskauer Patriarchat lehnt eine Abtrennung der ukrainischen Kirche entschieden ab und bestreitet, dass Konstantinopel die Autokephalie im Alleingang gewähren könne. Es brauche die Zustimmung aller orthodoxen Kirchen. "Es ist unmöglich, die kirchliche Einheit der Heiligen Rus zu zerreißen", so der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. am Sonntag in Moskau.
70 Prozent der Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum
Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko und das Parlament in Kiew hatten im April an den Patriarchen von Konstantinopel appelliert, der orthodoxen Kirche des Landes die Autokephalie zu verleihen. Am Montag sagte er in Kiew, die Unabhängigkeit der orthodoxen Kirche sei ein wichtiges Element eines unabhängigen Staates. In der Vergangenheit hatte er der russisch-orthodoxen Kirche vorgeworfen, ein "politisches Werkzeug" von Kreml-Chef Wladimir Putin zu sein. Die russische Kirche unterstütze "Putins Hybrid-Krieg gegen die Ukraine".
Rund 70 Prozent der Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. In dem Land wird angesichts des Krieges in der Ostukraine zwischen von Moskau unterstützten Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen der Ruf nach einer von Russland unabhängigen orthodoxen Kirche lauter.