Kardinal Marx sieht Kirche an einem Wendepunkt

"Hinhören, verstehen, Konsequenzen ziehen"

Auftakt der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda: Wie geht es mit der katholischen Kirche weiter? Reinhard Kardinal Marx sieht seine Kirche angesichts des Missbrauchsskandals an einem Wendepunkt.

Kardinal Reinhard Marx / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Reinhard Marx / © Harald Oppitz ( KNA )

Es gehe um den Umgang mit den Opfern, aber auch um die Zukunft und die Strukturen der Kirche, so Marx. Eindringlich rief Marx die deutschen Bischöfe zu einem gemeinsamen und konsequenten Vorgehen als Antwort auf die Studie über sexuellen Missbrauch durch Geistliche auf: "Hier geht es nicht um Stimmung und persönliche Befindlichkeiten, es geht um die Opfer und um die Zukunft der Kirche", betonte der Kardinal: "Die Menschen glauben uns nicht mehr. Wir müssen handeln und dann hoffen, dass man uns wieder vertraut", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Montag in Fulda zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Bischöfe.

Hinhören, verstehen, Konsequenzen ziehen

Die wissenschaftliche Untersuchung zum Missbrauch zeige, so Marx weiter: "Wir müssen viel weiter gehen: hinhören, verstehen, Konsequenzen ziehen". Dabei gehe es insbesondere um Fragen der "systemischen Gefährdung", etwa um den Umgang mit Macht in der Kirche. Auch müsse man noch genauer hinschauen, wer wofür verantworltich war und ist, ergänzte der Kardinal. Die Opfer hätten einen Anspruch auf Gerechtigkeit und Wahrheit, das aber habe diese erste Untersuchung noch nicht leisten können.

Der Münchner Erzbischof vermutet, dass es nach der Studie weiteren Forschungsbedarf geben wird, vor allem auf Ebene der Bistümer. Es sei auch klar, dass nicht alle Missbrauchfälle in den Akten vermerkt seien. Er warnte aber vor Spekulationen über das Ausmaß des Dunkelfeldes. Trotz mancher Kritik habe die neue Studie wichtige Erkenntnisse gebracht.

Der Konferenzvorsitzende betonte zugleich, es gebe seit 2010 eine wachsende Kultur der Wachsamkeit gegenüber Missbrauch. Die Kirche habe viele wichtige Schritte getan, insbesondere im Bereich der Prävention. Das sei aber nicht überall gleichermaßen umgesetzt worden. Zudem denke man immer noch nicht konsequent genug "von den Opfern her".

Marx äußerte sich zum Auftakt der Herbstvollversammlung der katholischen Bischöfe. Dabei werden am Dienstag die Ergebnisse einer umfangreichen Studie zum sexuellen Missbrauch durch Geistliche vorgestellt. Zum Abschluss am Donnerstag wollen die Bischöfe erste Konsequenzen präsentieren.

Erste Zahlen aus der Studie waren bereits im Vorfeld bekanntgeworden: In den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 hat das Forscherteam demnach Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden.

Thema Kommunionempfang steht weiter zur Debatte

Bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda wollen die katholischen Bischöfe auch erneut über den Kommunionempfang für nicht-katholische Ehepartner reden. Das kündigte Kardinal Reinhard Marx zum Auftakt der Versammlung an.

Mit der Ende Juni veröffentlichten Orientierungshilfe habe man "eine Lösung für die nächste Zeit gefunden", ergänzte Marx. Viele Bischöfe hätten diese auch als Grundlage für Einzelfallentscheidungen an ihre Pfarreien weitergegeben. Doch "wir werden das nochmals besprechen, es steht auf der Tagesordnung".

Im Februar hatten die deutschen Bischöfe mit Dreiviertel-Mehrheit eine Handreichung verabschiedet, nach der nicht-katholische Ehepartner im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen die Kommunion empfangen können. Nach intensivem Ringen, auch mit Rom, verständigten sie sich darauf, den Text als Orientierungshilfe und nicht als verbindliches Dokument zu veröffentlichen. Damit entscheidet jeder einzelne Bischof über den konkreten Umgang mit dem Thema in seinem Bistum. Auch Papst Franziskus betonte, entscheidend sei die Zuständigkeit des einzelnen Ortsbischofs.

Kirche muss mehr tun für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Aus Sicht von Kardinal Reinhard Marx müssen die Kirchen in Deutschland mehr tun für den Zusammenhalt in der Gesellschaft und gegen einen zunehmenden Populismus. Nicht nur die Ereignisse von Chemnitz hätten gezeigt, wie tief die Spaltung in Teilen des Landes sei, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Das bereite ihm große Sorgen, und hier seien auch die Kirchen gefragt, gemeinsam ihren Beitrag zu leisten.

Studie zum sexuellen Missbrauch zentrales Thema

Vom 24. bis 27. September findet in Fulda die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz statt. An ihr nehmen 66 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung des Vorsitzenden, Kardinal Reinhard Marx (München und Freising), teil.

Im Mittelpunkt der Beratungen steht die Vorstellung der 2013 begonnenen und jetzt abgeschlossenen Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" (MHG-Studie). Dafür ist der gesamte Dienstag (25. September) der Vollversammlung vorgesehen.

Die deutschen Bischöfe werden sich außerdem mit aktuellen Fragen zur Flüchtlingsarbeit und der bevorstehenden Weltbischofssynode in Rom befassen, die unter dem Titel "Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung" steht. In einem Studienhalbtag erörtern die Bischöfe das Thema "Gottesglaube und Gottesrede im 21. Jahrhundert".

Neuregelung der Organspende Thema

Weiterhin steht eine Beratung der aktuellen Debatte um eine Neuregelung der Organspende auf der Tagesordnung und die Verabschiedung von Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen Bistümer.

Auch die Debatte um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene könnte noch einmal zur Sprache kommen.

An der Eröffnungssitzung der Vollversammlung am Montag, 24. September, wird der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović (Berlin), teilnehmen. Als Gast anderer Bischofskonferenzen wird unter anderem Bischof Dr. Jan Kopiec (Gleiwitz/Polen) anwesend sein.

Gottesdienste mit Marx und Woeki

Am Dienstag, 25. September, findet um 7.30 Uhr im Fuldaer Dom der feierliche Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung statt. Die Predigt wird der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (München und Freising), halten. Alle Gläubigen aus Fulda Stadt und Land sowie insbesondere die Schülerinnen und Schüler aus den regionalen Schulen sind zu dieser Messfeier herzlich eingeladen. Diese erhalten dafür auf Antrag auch Unterrichtsbefreiung.

Auch an den folgenden Tagen finden im Rahmen der Bischofskonferenz ebenfalls um 7.30 Uhr im Dom Pontifikalgottesdienste statt. Den Gottesdienst am Mittwoch, 26. September, wird Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln) halten.

Beim morgendlichen Gottesdienst am Donnerstag, 27. September, um 7.30 Uhr, bei dem in besonderer Weise der verstorbenen Bischöfe gedacht wird, ist Erzbischof Prof. Dr. Ludwig Schick (Bamberg) Hauptzelebrant und Prediger.

Alle Gläubigen sind insbesondere auch zur Bonifatiusvesper der Bischofskonferenz eingeladen, die am Donnerstag, 27. September, um 18 Uhr stattfindet. Der Dom ist ab 17 Uhr geöffnet. Die Predigt wird Erzbischof Dr. Heiner Koch (Berlin) halten. Den Segen mit der Bonifatiusreliquie erteilt in diesem Jahr der Fuldaer Diözesanadministrator Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez.

Eine Übersicht der Übertragungen von DOMRADIO.DE finden Sie hier.

Herbstvollversammlungen traditionell in Fulda

Seit 1867 kommen die deutschen Bischöfe regelmäßig "am Grab des heiligen Bonifatius" zu Beratungen zusammen. Wie keine andere Stadt ist Fulda dadurch mit der Bischofskonferenz verbunden. Traditionsgemäß findet hier jedes Jahr die Herbstvollversammlung statt, während sich die Bischöfe zu ihrer Frühjahrsvollversammlung an jeweils wechselndem Ort treffen.


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