Der Zwist könnte sogar Auswirkungen über die orthodoxe Kirche hinaus haben.
DOMRADIO.DE: Sie waren vergangene Woche auf Studienreise in Russland. Wie haben Sie denn diese Auseinandersetzung dort erlebt?
Dr. Johannes Oeldemann (Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn): Ich glaube, aus kirchlicher Sicht ist es schon eine sehr dramatische Entwicklung. Wir haben von den Differenzen direkt bei der Ankunft in Moskau erfahren. Der Vertreter des Moskauer Patriachats begrüßte uns sehr bedrückt und hatte fünf Minuten vorher davon erfahren, dass der russische Patriarch nicht mehr den Patriarchen von Konstantinopel im Hochgebebt erwähnen wird und russische Bischöfe nicht mehr mit Bischöfen des Patriarchats von Konstantinopel konzelebrieren werden.
DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Signal?
Oeldemann: Das ist erst mal ein kirchenpolitisches Signal, dass man in Moskau mit der Entwicklung, die das Patriarchat von Konstantinopel in der Ukraine angestoßen hat, nicht einverstanden ist.
DOMRADIO.DE: Damit meinen Sie die Pläne des Ehrenoberhauptes der orthodoxen Kirche, der Ukraine eine eigenständige orthodoxe Kirche zu geben.
Oeldemann: Man droht damit, dass weitergehende Schritte bis hin zu einer völligen Aufkündigung der eucharistischen Gemeinschaft (das gegenseitige Besuchen der Gottesdienste mit Gang zur Kommunion; Anm. d. Red.) folgen könnten. Und man kann natürlich nur hoffen, dass es dazu nicht kommen wird.
DOMRADIO.DE: Schauen wir auf die Ursache des Konflikts. Die Ukraine ist seit einigen Jahren auch ein Konfliktfeld in Bezug auf Russland. Spätestens seit dem politischen Konflikt mit Russland in der Ukraine, drängt die ukrainische Regierung auf eine eigenständige orthodoxe Kirche, unabhängig von Russland. Spiegelt sich denn hier eher ein politischer Konflikt auf kirchlicher Ebene wieder?
Oeldemann: Es ist zunächst einmal, glaube ich, ein innerkirchlicher Konflikt, der sich seit gut 20 Jahren in der Ukraine vollzieht.
Die Orthodoxen sind dort in drei unterschiedliche kirchliche Verwaltungen gespalten. Eine, die zum Moskauer Patriarchat gehört und zwei andere, das sogenannte Kiewer Patriarchat und die ukrainische Kirche, die sich für unabhängig von Moskau erklärt hat. Diese gilt als unkanonisch, also nicht in Gemeinschaft mit den anderen orthodoxen Kirchen stehend.
Nun sah Konstantinopel sich gezwungen, irgendwie einzugreifen, weil man eben seitens des Moskauer Patriarchats - so die These der Vertreter in Konstantinopel - es in den 25 Jahren nicht geschafft habe, diesen Konflikt zu lösen. So dass man es jetzt vonseiten des Ökumenischen Patriarchats vorantreiben wolle.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet das denn für die Gläubigen in Russland?
Oeldemann: In Russland, glaube ich, wird sich momentan gar nicht so viel ändern. Denn der Patriarch von Konstantinopel wird ja nur bei Gottesdiensten des russischen Patriarchen erwähnt; nicht bei einem normalen Gottesdienst, den ein russischer Priester oder auch ein anderer russischer Bischof feiert. Da wird nur der jeweilige Bischof und der russische Patriarch genannt. Das heißt, es ändert sich rein äußerlich erst einmal gar nichts.
Für die Ukraine wird es jetzt spannend sein, wie die Gläubigen dort auf die weitere Entwicklung reagieren und vor allen Dingen, wie sich die Bischöfe in der Ukraine dazu stellen, dass das Patriarchat von Konstantinopel zwei Exarchen, also orthodoxe Bischöfe, dorthin entsandt hat, mit dem Auftrag irgendwie eine Lösung herbeizuführen.
DOMRADIO.DE: Und wie ist die Situation, wo orthodoxe Christen mehrerer Kirchen zusammen leben und Gottesdienst feiern, zum Beispiel in der Diaspora - also gar nicht in den eigentlichen Ländern. In Berlin ist es vor einer Woche bei einem gemeinsamen Gottesdienst zu einem Eklat gekommen. Welche Auswirkungen hat denn dieser Streit auf die Ökumene?
Oeldemann: Er wird auf jeden Fall auf die orthodoxe Diaspora Auswirkungen haben. Nämlich dort, wo orthodoxe Bischöfe und Gläubige unterschiedlicher Patriarchate gemeinsam auf einem Territorium leben. Das ist etwa der Fall in Deutschland, wo die griechisch-orthodoxen Christen zum ökumenischen Patriarchat gehören und die russisch-orthodoxen Christen zum Moskauer Patriarchat. Da wird es jetzt für die Bischöfe schwierig, gemeinsam zu agieren, weil Moskau das praktisch untersagt hat.
DOMRADIO.DE: Trifft das auch die Katholiken?
Oeldemann: Auf die Ökumene dürfte es auch Auswirkungen haben, weil alle ökumenischen Gremien, die wir von katholischer Seite mit der orthodoxen Kirche haben, von Bischöfen des ökumenischen Patriarchats geleitet werden. Wenn laut Moskauer Beschluss da jetzt keine russischen Vertreter mehr teilnehmen, macht dies das Gespräch natürlich nicht einfacher. Wir als Katholiken reden dann nur noch mit einem Teil der orthodoxen Kirche. Fortschritte sind dann natürlich schwer zu erzielen.
Das Interview führte Heike Sicconi.