DOMRADIO.DE: Was halten Sie denn von der Entscheidung, die gestern von der Oberbürgermeisterin bekannt gegeben wurde?
Fritz Schramma (ehemaliger Kölner Oberbürgermeister): Das ist eine abgestimmte Meinung zwischen Polizei, Ordnungsamt und Stadtverwaltung insgesamt. Es ist meiner Meinung nach gar nicht anders machbar, wenn das Sicherheitskonzept nicht stimmig ist. Wir haben in Deutschland leider Erfahrungen mit Großveranstaltungen, die dann zu ganz schlimmen Konsequenzen führen. Das kann keiner riskieren und das will auch keiner riskieren. Zum Schutz des Präsidenten selbst, seiner Anhänger und seiner Gegner ist diese Maßnahme notwendig und da muss dann eben das Verbot erteilt werden – das ist völlig klar und wäre in meiner Amtszeit wahrscheinlich genauso gut gelaufen.
DOMRADIO.DE: Damals Mitte der 2000er Jahre gab es erheblichen Widerstand gegen den Bau der Moschee. Sie haben sich damals mit anderen Politikern dafür stark gemacht. Die Moschee sollte auch ein Zeichen für religiöse Toleranz sein. Jetzt kommt Erdogan zur Einweihung, deutsche Politiker und Vertreter anderer Religionen sind nicht dabei, haben aus Protest gegen diesen Besuch abgesagt. Haben Sie sich das so vorgestellt?
Schramma: Nein, überhaupt nicht. Seit mehr als zehn Jahren begleite ich dieses Projekt – auch mit Vertretern aller Fraktionen und mit Kirchen und Architekten im sogenannten Moscheebeirat. Da hatten wir ganz andere Vorstellungen für eine Einweihung und die hätte auch ganz anders aussehen sollen. Jetzt wird sie leider verstaatlicht oder im Rahmen eines Staatsbesuches Köln aufgezwungen. Das empfinde ich wie einen Makel an diesem makellosen Bau und das tut mir sehr leid. Die Moschee hätte etwas anders verdient – eine integrative, fröhliche Feier – die hätte eine Würdigung verdient. Sie ist ja ein hervorragendes Gebäude. Sie hätte Worte des Architekten und der Oberbürgermeisterin verdient. Alles das fällt nun bedauerlicherweise ins Wasser.
DOMRADIO.DE: Sie haben ja auch bei Konflikten und Blaupausen immer wieder vermittelt, damit das Projekt vorangeht. Bereuen Sie es, dass Sie sich damals so stark dafür gemacht haben?
Schramma: Nein, das würde ich heute genauso gut wieder tun. Denn das Gebäude selbst muss man einfach trennen von einer gewissen ideologischen und politischen Entwicklung innerhalb der Türkei. Wenn sie mal zehn oder zwölf Jahre zurückschauen, da sah das anders aus. Da haben wir mit ganz anderen Leuten gesprochen. Da hat sich in der Zwischenzeit einiges in der Türkei verändert und parallel dazu haben sich hier die Ditib-Vorstände immer wieder verändert. Heute sind das meines Erachtens ganz linientreue Leute, die dort eingesetzt werden. Die sind direkt der Diyanet in Ankara unterstellt und auch dementsprechend auf Spur gebracht. Da ist Konversation und Dialog im Moment sehr schwierig und das bedauere ich natürlich, weil eigentlich ist das die Chance dieses Hauses, dieser Moschee und dieses Kulturzentrums. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir nach wie vor im Gespräch bleiben sollen, denn ohne Gespräch gibt es überhaupt keine Weiterentwicklungen. Deswegen kann ja auch die Bundesregierung verstehen, dass man sagt: Wir müssen natürlich mit Erdogan sprechen. Ob das auf dem hohen Niveau eines Staatsbesuches sein musste, das wage ich zu bezweifeln. Da hätte auch eine Arbeitsebene meines Erachtens genügt.
DOMRADIO.DE: Der Bau sollte ein Zeichen für religiöse Toleranz und deutsch-türkische Integration werden, das auch Nichtmuslimen offensteht. Die Moschee ist schon länger geöffnet. Erfüllt Sie denn im Alltag diese Erwartung, ist sie ein offener Ort für alle?
Schramma: Ich bin persönlich mehrfach völlig unangemeldet und spontan dort reingegangen und habe auch schon mal Bekannte oder Freunde mitgenommen. Das können sie ja jederzeit tun, das ist schon so weit okay. Sowohl die weltlichen Räume wie der Marktraum oder die Cafés, aber auch das Gebetshaus selbst, da kommt man ja hinein. Viele haben das ja auch schon getan, insbesondere auch am "Tag der offenen Moschee". Da ist jeder eigentlich begeistert von dem, was da architektonisch entstanden ist, das ist ja einfach toll. Was aber das andere betrifft, nämlich die inhaltliche Arbeit, da haben wir in den letzten Jahren deutliche Rückschritte erfahren müssen. Das liegt aber nicht an unserer Seite, der Kölner Seite. Das sage ich ganz deutlich. Wir haben alles getan und sind nach wie vor sehr sehr interessiert, dass wir eine weltoffene Stadt sind und auch in der Auseinandersetzung zwischen Kulturen und Religionen im Gespräch sind. Integration darf niemals eine Einbahnstraße sein, sie muss immer von beiden Seiten begangen werden. Da fehlt mir in letzter Zeit der Impuls von der türkischen Seite.