"Warm gemacht" hat Rüdiger Schwenk das Stück Rundeisen. Jedenfalls heißt es so in der Fachsprache, wenn das Rohmaterial im Feuer mit 1100 Grad erhitzt wird und dann eine gelbliche Tönung aufweist. Der zweite Arbeitsschritt ist das sogenannte Freiformschmieden per Hand oder die Formung des glühenden Schaftes mit dem Luftschmiedehammer.
Davon werde dann ein Teil für den Nagelkopf abgeschrotet und das Ganze auf die gewünschte Länge gebracht, erklärt der Schmied aus Aarbergen in Hessen. Damit aber auch der Kopf nachher die entsprechende Größe und Form aufweist, wird der Nagel schließlich in die Lochplatte gesteckt.
Sogenannte "Zuschläger" – unter Schmieden eine ganz typische Bezeichnung für den daraufhin folgenden Körpereinsatz, der genau das meint, was der Begriff vermuten lässt – formen dabei das Produkt.
Schließlich "schlichten" sie, das heißt, sie hämmern alles gerade und drücken dem Nagelkopf am Ende ihrer Arbeit mit dem Punzen, einer Art Stempel, das Symbol der Friedenstaube und der drei Kronen – Kölner Sinnbild für die Heiligen Drei Könige – auf.
Auch seine ganz persönliche Signatur fügt Schwenk noch hinzu. In seinem Fall ist das eine Hummel, die so etwas wie die persönliche Handschrift des Schmiedes ist.
Friedensbemühung "hartes Stück Arbeit"
Rüdiger Schwenk ist einer von fast 60 Vertretern seiner Zunft, die sich an diesem Samstag in der Kölner Dombauhütte an der Aktion "Schmieden für den Frieden" beteiligt haben und sich bei diesem traditionellen Handwerk über die Schulter schauen ließen; eine Gelegenheit, die viele neugierige Besucher an diesem Tag nutzten. Vor allem aber konnten sie für 100 Euro einen solchen Nagel mit nach Hause nehmen.
Der Erlös aus der Aktion soll einem Kinderbildungsprojekt im Libanon zugute kommen. Denn das Geld – Dombaumeister Peter Füssenich geht von 300 bis 400 Nägeln aus, die den Besitzer gewechselt haben – wird der St. Rita-Schule in Zahlé gespendet, mit der die Kölner Domsingschule seit Februar über eine Patenschaft verbunden ist.
Füssenich freute sich sichtlich über die große Akzeptanz dieser Domwallfahrt-Veranstaltung. Mit der für die Kölner Dombauhütte erstmaligen Initiative – "Schmieden für den Frieden" gibt es immerhin seit 2015 – verbreite sich diese spezielle Form des Friedensgedanken über ganz Europa.
"Und wenn ich mir hier heute diesen schweißtreibenden Einsatz aller Schmiede ansehe, zeigt sich, dass die Bemühungen um Frieden eben auch ein hartes Stück Arbeit sind."
Friedensnägel statt Waffen schmieden
Schon im Alten Testament habe es beim Propheten Jesaja die Aufforderung gegeben, die Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden, sagte Domdechant Msgr. Robert Kleine bei seiner Begrüßung der Gäste in der Dombauhütte und betonte: "Das ist die Vision für Frieden. Und so schmieden wir hier heute keine Waffen, sondern Friedensnägel."
Den vielen Schmieden bei ihrer Arbeit zuschauen zu können, sei einfach ein tolles Erlebnis, fand er und regte spontan an: "Eigentlich müssten wir einen solchen Nagel mit einer Friedenstaube heute auch nach Köln-Ehrenfeld schicken."
Michael H.G. Hoffmann, der Präsident des Zentraldombauvereins, erinnert in diesem Zusammenhang an die "große Gnade, schon über 70 Jahre lang in Frieden zu leben".
Neben Füssenich zeigte auch er sich von dieser Sonderaktion begeistert, die die Menschen trotz Erdogan-Besuchs und den polizeilichen Hinweisen, die Innenstadt weitestgehend zu meiden, von Nah und Fern anzog.
"Beim Einsatz für den Frieden sind wir mit dabei. Das ist eine Idee, die wir in jedem Fall unterstützen", erklärte Jörg Haake, der mit seiner Frau Irma gleich zwei Nägel erstand und in einer Urkunde bescheinigt bekam, dass es sich jeweils um Unikate mit einer fortlaufenden Kennungsnummer handelt.
"Nagel ist für Schmiede etwas Verbindendes"
Die Idee "Schmieden für den Frieden" nach Köln gebracht hat Domschmied Thomas Hecker. Sonst zuständig für Metallarbeiten aller Art rund um Kölns Wahrzeichen, hat er selbst zuletzt bei einer solchen Veranstaltung in Odenthal-Altenberg teilgenommen und war sofort "Feuer und Flamme", wie er erzählt.
Und als er dann in der Dombauhütte diesen Vorschlag unterbreitet habe, hätten alle sofort mitgezogen: der Dombaumeister, der ZDV, der Domdechant und auch Erzbischof Kardinal Woelki, der die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen hat. Schließlich sei Köln vor 100 Jahren das logistische Zentrum der Westfront des Ersten Weltkrieges gewesen, sagt Hecker. Daher habe die Aktion auch inhaltlich sehr gut zum Wallfahrtsmotto "Dona nobis pacem" gepasst.
"Der Nagel ist für Schmiede etwas Verbindendes", erläutert der Experte außerdem noch. Und der Nagel sei ein Zeichen.
Denn wenn ein Schmied "auf die Walz gehe", wie man innerhalb seiner Zunft den Brauch nennt, nach der Lehre drei Jahre und genau einen Tag lang auf Wanderschaft zu sein und von Werkstatt zu Werkstatt zu ziehen, hinterlasse jeder Schmied im Balken eines solchen Betriebes einen Nagel mit seiner persönlichen Signatur. "Allein auf diese Weise entsteht schon ein großes Netzwerk unter uns Schmieden."
Nicht zuletzt hoffen Hecker, Füssenich und alle Mitarbeiter der Kölner Dombauhütte, dass ein Tag wie dieser Samstag auch eine zusätzliche Empfehlung für die internationale Bewerbung im kommenden Jahr bei der Unesco-Kommission ist. Denn dann wird es darum gehen, dass das Bauhüttenwesen neben der Aufnahme in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes Deutschlands in diesem Jahr auch die nächsthöhere Ebene erreicht und für die internationalen Unesco-Listen nominiert wird. Die Aufnahme in das "Register Guter Praxis-Beispiele" bedeute ja letztlich, dass die Arbeiten der Bauhütten einen Vorbildcharakter haben, so Füssenich.
An einem solchen dürfte – zumindest nach der heutigen Friedensaktion - niemand mehr wirklich zweifeln.