Sozialpfarrer: Kirche schweigt zu Ausbeutung

Hat die Kirche Angst?

Welche Rolle hat die Kirche im Arbeitsleben der Gläubigen? Sozialpfarrer Peter Kossen meint, sie halte sich zu sehr raus und setze sich nicht ausreichend gegen menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse ein. Für ihn ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Hat die Kirche Angst? / © Friso Gentsch (dpa)
Hat die Kirche Angst? / © Friso Gentsch ( dpa )

Der katholische Sozialpfarrer Peter Kossen aus Lengerich wirft seiner Kirche vor, sich aus Angst nicht genügend gegen ausbeuterische und menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse in der Industrie einzusetzen. "Nach meiner Erfahrung haben die Bischöfe Angst davor, Steuerzahlern vor den Kopf zu stoßen und sie zu verlieren", sagte er im Interview auf der Internetseite der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum Münster. Zum Teil seien ja gerade die großen Unternehmer auch große Kirchensteuerzahler.

Andererseits schweige die Kirche auch, um sich nicht hinterfragen zu müssen, wo sie als Arbeitgeber selbst Tarife umgehe, sagte Kossen weiter. Auch in manchen katholischen Altenheimen und Krankenhäusern würden Beschäftigte ausgliedert, um zum Beispiel den Caritas-Tarif zu umgehen.

Es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche

Kossen forderte außerdem eine deutlichere Positionierung der Kirchen zu Menschenhandel und Prostitution. Da sollten sie "den Mut haben, Alternativen einzufordern und die Stimme zu erheben". Ein solches Engagement könnte die Kirchen auch glaubwürdiger machen: "Ich habe erlebt, dass Menschen sich anders mit Kirche identifizieren oder in ihr auch eine neue Relevanz sehen, wenn sie erleben, dass Kirche auch mal aus ihren Sicherheiten herauskommt, etwas wagt."

Denn man dürfe sich nicht damit abfinden, "dass wir immer älter und weniger werden und der letzte in 15 Jahren das Licht ausmacht und die Tür zu. Christen und ihre Werte werden gebraucht, heute mehr denn je."

Beispiel: Fleischindustrie

Kossen geißelte vor allem die Zustände in der Fleischindustrie. Sie habe damit angefangen, "sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch irreguläre Beschäftigung von Arbeitsmigranten zu ersetzen". Andere Branchen hätten sich daran ein Beispiel genommen.

Subunternehmen würden eingeschaltet und so Kernbereiche ausgegliedert. Leiharbeitern werde zum Beispiel 1.500 Euro Lohn, ein Bett im Zweibettzimmer und drei Mahlzeiten am Tag versprochen. In Wirklichkeit würden die Menschen dann "brutal abgezockt für ein Rattenloch, für das sie manchmal 14,50 Euro pro Nacht für ein Bett im Drei-Schicht-System zahlen müssen."

Politik ist genauso dran

Von der Politik verlangte Kossen, Gesetze gegen Ausbeutung und Menschenhandel in der Praxis auch durchzusetzen. Das sei derzeit nicht der Fall.

"Und dass Betriebe nicht einfach über 80 Prozent ihrer Belegschaft ausgliedern können, wie es gerade im Fleischsektor vielfach der Fall ist."


Peter Kossen / © Ingo Wagner (dpa)
Peter Kossen / © Ingo Wagner ( dpa )
Quelle:
KNA
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